Lass los was dich festhaelt
Erdenbürger sind, bis auf wenige Ausnahmen, keine Treiber und Hetzer, sondern einfach nur teilnehmende Anwesende.
Wir werden im Kapitel »Das letzte Loslassen« noch genauer auf diese Zusammenhänge eingehen und entsprechende »Umgangsformen« behandeln. Ich wollte nur eventuell auftauchenden Fragen und Unsicherheiten vorbeugen, die in Verbindung mit unserem eigentlichen Kapitelthema auch in meinen Vorträgen immer wieder genau an dieser Stelle zur Sprache gekommen sind und geklärt werden mussten, damit das eine nicht mit dem anderen verwechselt wird.
Treiber sind keine liebevoll anhänglichen Seelen, deren Anwesenheit in unserer Nähe weder schädlich noch Schicksal beeinflussend ist, sondern Repräsentanten unserer Schattenseiten, die sie nicht nur herausfordern, sondern im schlimmsten Fall noch mehr verdunkeln. Das ewige Hin und Her, von dem im ersten Kapitel die Rede war, ist der Widerhall der seelischen Kampfhandlungen zwischen den Treibern und dem besseren Wissen unseres Höheren Ichs. Dazwischen stehen Sie, der auf Erden geborene Mensch, der aufgefordert ist, sich mit seinem freien Willen für oder gegen die jeweiligen Angebote zu entscheiden.
Die Angebote sind klar. Sie beziehen sich auf die drei bekannten Bereiche: Besitz, Macht/Ruhm und Sex. Sämtliche Schwachpunkte des menschlichen Verhaltens können in diesen drei mit Seerosen überwucherten Sumpfgebieten aufgefunden werden. Ich hoffe, Herr Goeudevert gestattet mir die Ideenanleihe. Der äußerlich so hübsche Seerosenteich ist, wenn man die bezaubernde Blütendecke wegschiebt und einen Blick in die Tiefe wirft, das reinste Fallenkonstrukt, in dem man sich als Schwimmer so verfangen kann, dass man nur mit Mühe wieder ins freie Wasser findet.
Wenn ich weiß , dass in dem Gebiet, welches ich durchschwimmen muss , solche Gefahren lauern, habe ich zunächst zwei von grundsätzlich drei Möglichkeiten. Entweder ich mache mich kundig, wo sich die Gefahrenstellen befinden und
schwimme in angemessener Entfernung herum, oder ich nehme ein Buschmesser mit und mache mich auf einen längeren Aufenthalt im Teich gefasst mit dem Ziel: Ausrottung der Widerstände.
Einige meiner Zuhörer aus der listigen Ecke hatten noch andere Lösungen parat: Die einen fanden ein Boot oder Floß hilfreich, während die noch Listigeren beschlossen, den Teich nur vom Ufer aus zu bewundern und sich wie der Maler Monet an der Farbenpracht zu erfreuen. Sie hatten überhört, dass der Teich als Symbol für unser Leben zu verstehen ist und dass man nicht im Leben (Teich) stehen und gleichzeitig (trockenen Fußes) ungeprüft bleiben kann. Es gibt kein Boot, das uns die Überquerung möglich macht, und auch das Umschwimmen der Gefahrenzonen erweist sich als müßiges Unterfangen, weil das andere Ufer ausschließlich durch die Seerosenbank zu erreichen ist. Bleiben also nur das Buschmesser und die Erfahrung des gut trainierten Schwimmers.
Übersetzt würde das Gleichnis bedeuten, dass dem oder den Treibern ein klares Nein! entgegengesetzt wird, oder dass man sich im Umgang mit ihnen so clever und unberechenbar zeigt, dass sie die Lust am Objekt verlieren. Die letztgenannte Methode ist die bei Weitem angenehmere, hat aber leider den Haken, dass sie nur von den »Schwimmern« beherrscht wird, die mit dem Buschmesser, also dem scharfen Nein! umzugehen gelernt haben. Ach, es klingt ja so einfach! Treiber kommt, ich sage Nein! - und die Sache ist erledigt. Goethe hätte seinen Faust nie schreiben können, wenn es so einfach wäre.
Der Treiber ist eloquent, erzeugt die wunderbarsten Fantasiebilder, lässt über diesen Bilderreigen den Hormonspiegel zu Nanga-Parbat-Höhen anwachsen, und die von Charlotte Roche so trefflich geschilderten »Feuchtgebiete« bekommen ungeahnte Dimensionen. Und plötzlich ist das Buschmesser ein
Gummischwert aus der Kiste mit den Faschingsartikeln, und die Seerosen sind im Abendlicht von so betörender Schönheit, dass man bereit ist, sein Leben für sie hinzugeben, während im Hinterkopf das Treiberstimmchen zum Sirenengesang mutiert: »Ach, nur einmal, ein einziges letztes Mal, versinken, ertrinken, unbewusst … höchste Lust!« Tristan und Isolde lassen, betört vom Liebestrank, grüßen!
Heutzutage bedarf es keines Liebestranks mehr, denn die freizügigen Bilder in den Medien und die allgemein üblichen Schamlosigkeiten bieten Reiz genug, um die Hemmschwelle auch ohne Chemikalien nach unten zu drücken. In der Schweiz wird soeben das Mini-Kondom für
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