Lass los was dich festhaelt
von Ihrer Bestimmung
nicht abgelassen. Ich hoffe aber auch, dass Ihre Familie nicht das tat, was ich auch nach vierzig Jahren Beratungsarbeit immer wieder mit Schrecken sehe, nämlich, dass eine ganz normale Fähigkeit zum Supertalent hochgejubelt wird und ein bisschen Geschicklichkeit zur genialen Begabung, nur weil Papa und Mama etwas nachzuholen haben, was sich nun über das Kind verwirklichen soll. Die übliche Kampfansage heißt: »Unsere Tochter/unser Sohn muss studieren!«
Loslassen, liebe Eltern! Dünkel überträgt sich, genauso wie Benehmen und Ideologien.
Und wenn Sie selbst Opfer einer solchen »Spätverwirklichung« sind, gibt es nur eines: Heraus aus dem Elternprogramm und hinein in den eigenen Plan. Ich habe in vierzig Jahren niemanden scheitern sehen, der das wirklich wollte! Mein »Vorzeigepferd« in dieser Beziehung war eine Münchner Dame, die mit 72 ½ Jahren promovierte und elf Jahre lang eine Privatpraxis als Psychologin führte. Sie war die älteste, aber durchaus nicht wagemutigste Umsattlerin. Ich habe Köche, Bauzeichner, Zimmermädchen und Bankangestellte zum Studium »verführt« und umgekehrt aus Akademikern glückliche Friseure und Gastronomen »gemacht« und aus einem (ich gebe zu, mein Liebling!) Schuhverkäufer den Bestattungsunternehmer seiner Stadt. Natürlich habe ich nichts »gemacht«, außer dass ich die Leute dazu brachte, selbst zu erkennen, was sie loslassen mussten, damit sie ergreifen konnten, was sie brauchten, um ihr Sein zu erfüllen. Hier stimmten einfach Strebung, Begabung und Imagination überein. Und zu diesem Trio gesellten sich Erkenntnis und Wille.
Vielleicht sollten wir kurz über den Begriff der Strebung sprechen, der nicht jedem geläufig sein dürfte. Tief in jeder Menschenseele, in jedem Bewusstsein ruht das Wissen um den Weg und das Ziel und die Sehnsucht, die wie ein Schmerz
auftaucht, wenn das Entsprechende oder Ähnliche von dem, was wir eigentlich werden und sein sollen, vor uns erscheint. Dieses Gefühl nennt man Strebung. Jahrelang unterdrückte Strebung führt zu Aggression oder Depression. Und zu Krankheit.
Es ist nie zu spät!
Bitte streichen! Eliminatus!
Manchmal ist es zu spät, weil die Kraft nicht mehr ausreicht oder der Mut müde geworden ist und das Herz vor Kummer nicht mehr kann. Weiß Gott, ich kenne das …
Dann machen Sie sich, um nicht noch bekümmerter zu werden, bitte klar, dass dieses Leben nicht das letzte ist, das Sie durchlaufen, und dass sich alles, was Sie heute so gut tun, wie Sie nur können und mit so viel Achtsamkeit wie nur möglich - auch wenn es vielleicht nicht Ihr »Traum« ist - sich in Ihrer nächsten Existenz als Support, als Bonus und als Hilfe von außen zeigen wird.
Fühlen Sie in sich hinein und Sie werden wissen, dass dieser letzte Satz keine billige, esoterische Trostfloskel war, sondern von einem Gesetz erzählt und eine tiefe Wahrheit enthält.
Erst wenn man das begriffen hat, dann darf, nein, muss man sagen: Es ist nie zu spät!
6. KAPITEL
Von der Kunst des Bei-sich-undbeieinander-Bleibens
Eigentlich sträubt sich die Feder, darüber zu schreiben. Wie kann ich heute über eine Kunst sprechen, deren Handwerk nicht mehr gepflegt wird und deren Erlernung überflüssig erscheint? Momentan erlebe ich in meinem engsten Umfeld (zufällig?) die schlimmsten Beziehungsdramen meines Lebens, und zwar vorwiegend in Verbindungen, wo jeder sicher war, dass man für die Ewigkeit zusammen sein wird.
Es ist absolut auffällig, dass in all diesen Lebensgemeinschaften die bisherige Form der Rituale zerbricht, dass sich die Gefühle für einander verändern und dass die Strebungen nicht mehr koordiniert sind. Es ist durchaus nicht so, dass der/die berühmte unsichtbare »Dritte« aufgetaucht oder dass die allgemeine wirtschaftliche Veränderung der Anlass wäre. Da ist vielmehr etwas, das mich als Vermittler gegen die Wand laufen lässt: Die Partner spielen verrückt!
Es drängt sich das Gefühl auf, Menschen unter Einfluss vor sich zu haben, die nicht mehr diskussions- oder erkenntnisfähig sind, die anscheinend bar jedes Gefühls und jeder Logik handeln und dabei weder ein Ziel noch eine Perspektive vor
Augen haben. Die Leute, von denen ich spreche, sind alle nicht mehr als »junge Menschen« zu bezeichnen, das heißt, keiner ist unter 40, keiner über 65. Als Berater kenne ich die Zeichen der Midlife-Crisis, des Überdrusses, der Wechseljahre usw. seit vierzig Jahren.
Das, was sich heute zeigt, hat mit diesen
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