Lass los was dich festhaelt
Sie nicht interessieren, was andere über Sie
sagen, sondern nur, ob Sie mit dem, was Sie Zeit Ihres Lebens zuwege gebracht haben, zufrieden sind und ob Sie sich der Art und Weise, wie Sie es erreicht haben, nicht schämen müssen. Panta rhei , der beliebte Ausspruch, der dem Philosophen Heraklit zugeschrieben wird, besagt, dass alles fließt und nichts bleibt, außer dem Bewusstsein desjenigen, der im Strom des Lebens steht. Wir können nie zweimal in denselben Fluss steigen, denn das Wasser fließt und bringt immer neue und andere Dinge mit sich, die wir herausfischen und zu unserem Eigentum machen wollen. Doch der Strom des Lebens verlangt alle Dinge zurück, die wir ihm entnommen haben, wenn wir ihn an unserem letzten Tag verlassen müssen. Bezeichnenderweise sind wir beim Verlassen des Lebensflusses so sehr mit uns selbst beschäftigt und mit dem neuen (alten) Boden, den wir dann betreten, dass wir unserer Hinterlassenschaft eher weniger Aufmerksamkeit schenken.
Der eine Mensch hinterlässt 2,3 Milliarden Dollar, ein anderer eine Hühnerfarm, und wieder ein anderer ein Gebiss im Glas und Pantoffeln unter dem Bett. Wer muss mehr loslassen? Sie denken, das muss der Milliardär sein! Doch wer weiß? Möglicherweise hat der schon vorher von der Last seines Besitzes genug gehabt und alles vererbt oder weitergegeben, und es war der Pantoffelheld, der um nichts in der Welt seine zerfledderten Treter ersetzt sehen wollte. Nicht wir besitzen, was wir haben, sondern das, was an uns hängt, besitzt uns.
»Nur was du abweist, kann dir wiederkommen«, sagt Grillparzer, und: »… in dem Abschied, vom Besitz genommen, erhältst du dir das einzig Deine: Dich!«
Ihr »Ich« ist Ihr Besitz, alles andere ist Dekoration. Vieles davon ist nötig, um dem Menschenkörper Schutz zu bieten, das Leben angenehmer zu machen und auch, um Signale zu setzen. Doch den großen alten Weisen auf dieser Welt war schon immer
klar, dass sich um jeden Menschen zwei Arten von Wesen versammeln, die ihm ihre jeweilig eigene Anschauungsweise andienen. Die einen sagen: »Besitz hindert deine Seele daran, ins Himmelreich zu kommen.« (Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr!) Die anderen tönen: »Du bist so viel, wie du hast!« Es wird Sie vielleicht beruhigen zu hören, dass diese Sätze zu unseren »Eliminaten« (lat. eliminare - »aus dem Haus, über die Schwelle treiben, entfernen«) gehören und für immer zu streichen sind. Gott interessiert es nämlich nicht, wie viel jemand hat, sondern nur, was damit angefangen wurde, also welche Seelenqualität ihm nach dem Erdenleben als Summa vitae angeboten wird. In der Geschichte gibt es viele Beispiele unvergesslich großer Menschen, die schon zu ihrer Zeit hoch verehrt wurden, obwohl sie nicht mehr als einen Fetzen am Leib hatten. Übrigens waren es durchaus nicht immer Heilige, die trotz ihrer Besitzlosigkeit als reich angesehen wurden.
Meine Hamburger Freunde stellten mich einmal einem Bettler vor, der von der hanseatischen Bevölkerung wie ein Maskottchen gehegt und gepflegt wurde, aber kein Zuhause haben wollte. Er saß immer am selben Platz, im Sommer wie im Winter, und um ihn herum sammelten sich die Gaben, vom Tabaksbeutelchen bis zum Heizofen. Er bezahlte mit Gesprächen, die leider niemand aufgezeichnet hat. Sie wären ein Bestseller geworden!
Ich habe mindesten vier Leute gekannt, die Unsummen im Lotto gewonnen haben und nach zwei Jahren keinen roten Heller mehr hatten. Und ich kenne mindestens 120 Leute, die rein gar nichts besaßen, aber durch Ideen, Fleiß und Glück dauerhaft wohlhabend wurden. Ich nehme an, dass die Realität diese Verhältnismäßigkeit bei Weitem übersteigt und aufzeigt, dass es eher möglich ist, durch eigenes Schaffen vermögend zu werden als durch Glücksfälle.
Und da, wie wir seit Langem wissen, durchaus nicht alle Menschen gleich sind, gebe ich jetzt und hier zu, dass ich auch sehr viele überaus ideenreiche und fleißige Leute kenne, die kein Bein auf den Boden kriegen, selbst wenn man sie unterstützt und ihnen auch sonst jede Möglichkeit bietet. Womit hängt es zusammen, dass ein hochbegabter Schauspieler in der Provinz hängenbleibt, während sein mehr als mittelmäßiger Kollege plötzlich zum Superstar wird? Wieso endet die Promotionsleuchte als ewige Assistenzärztin, während der Studienkollege, der seinen Abschluss nur mit Ach und Krach schaffte, plötzlich als Herr Professor dasteht? Wir haben es, neben allem, was ein Mensch an Talent, Fleiß,
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