Lass mich deine Liebe spueren_Zwei Maenner fuer die Herzogin
ersten Mal, seit ihn Alexandra kannte, wirkte der Butler unsicher und verlegen. »Es liegt nicht in meiner Absicht zu klatschen«, begann er nach einer unbehaglichen Pause, »aber von Craddock, der Zofe Ihrer Gnaden, weiß ich, daß Ihre Gnaden seit fünf Tagen kaum einen Bissen angerührt hat. Man hat ihr gerade ein Tablett in den kleinen Salon gebracht. Wenn Sie ihr Gesellschaft leisten würden, könnten Sie Ihre Gnaden vielleicht dazu überreden, etwas zu essen.«
»Diese Frau braucht keine Nahrung«, murrte Alexandra und stand widerwillig auf. »Sie ist anders als gewöhnliche Sterbliche.«
Diese indirekte Kritik an seiner Herrin ließ Ramsey buchstäblich zu Eis erstarren. »Ich bin seit nunmehr vierzig Jahren bei der Duchess of Hawthorne. Meine tiefe Sorge um sie hat mich zu der irrigen Annahme verleitet, daß auch Sie für Ihre Gnaden ein wenig Mitgefühl empfinden könnten, das Sie inzwischen zur Familie gehören. Ich bitte für meine Fehleinschätzung um Entschuldigung.«
Er verneigte sich steif, verließ den Raum und ließ Alexandra total verwirrt zurück. Ramsey war der Herzogin offenbar treu ergeben, obwohl Alexandra deren Einstellung zur Dienerschaft kannte: Auf Rosemeade hatte sie Alexandra zweimal streng ermahnt, nicht »mit dem Personal zu klatschen«, obwohl sie Ramsey lediglich gefragt hatte, ob er verheiratet wäre, und sich bei einem Zimmermädchen erkundigt hatte, ob sie Kinder hätte. Für die Herzogin bedeutete ein Gespräch mit den Dienern, mit ihnen zu klatschen, sie als gleichwertig zu behandeln - und das, wußte Alexandra aus entsprechenden Bemerkungen der Herzogin, war absolut unmöglich. Aber trotzdem schien ihr Ramsey treu ergeben zu sein. Und das hieß nichts anderes, als daß die alte Frau nicht ausschließlich aus Arroganz und Stolz bestehen konnte.
Eine Überlegung führte zur nächsten. Alexandra starrte das Teetablett verblüfft an und fragte sich, ob es vielleicht als »Friedensangebot« gedacht sein könnte. Bis vor fünf Minuten hatte die Herzogin nicht das geringste Interesse daran gezeigt, ob Alexandra etwas aß oder nicht. Andererseits konnte das Tablett auch nur als strenge Ermahnung gedacht sein, sich zu beherrschen.
Alexandra biß sich auf die Lippe und dachte an Ramseys Worte. Seit fünf Tagen hatte die Herzogin also kaum einen Bissen zu sich genommen. Sie auch nicht, aber schließlich war sie jung, gesund und kräftig. Wenn die Herzogin kaum etwas über die Lippen brachte, mußte sie über das Verschwinden ihres Enkels sehr viel mehr besorgt sein, als sie zu erkennen gab.
Seufzend strich sich Alexandra die Haare aus der Stirn und entschied, daß das Teetablett als Friedensangebot gemeint war. Sie kam zu diesem Entschluß, weil sie den Gedanken nicht ertrug, daß eine siebzigjährige Frau aus Kummer dahinsiechte.
Durch die halbgeöffnete Tür des kleinen Salons sah Alex, daß die Herzoginwitwe in einem hochlehnigen Stuhl saß und ins Kaminfeuer starrte. Selbst in der Abgeschiedenheit wahrte die alte Frau Haltung, und doch war da etwas an ihrer steifen Würde, das Alexandra an ihre Mutter in den ersten Tagen nach dem Tod ihres Vaters erinnerte, bevor die Ankunft seiner anderen Frau das Leid in Haß verwandelt hatte.
Leise betrat sie den Raum. Der Kopf der alten Frau zuckte herum und wandte sich schnell wieder ab. Doch nicht schnell genug, als daß Alexandra die Tränen in ihren hellen Augen nicht bemerkt hätte.
»Euer Gnaden?« begann Alex leise und trat einen Schritt näher.
»Ich habe Ihnen keine Erlaubnis gegeben, mich hier zu stören«, fauchte die alte Frau, aber zum ersten Mal ließ sich Alexandra von ihrer harten Stimme nicht beeindrucken.
»Nein, Ma’am, das haben Sie nicht«, erwiderte Alex in dem gleichen sanften Ton, den sie auch gegenüber ihrer Mutter angewandt hatte.
»Lassen Sie mich allein.«
Unverdrossen fuhr Alexandra fort: »Ich bleibe nicht lange, aber ich muß mich für die Dinge entschuldigen, die ich vor wenigen Minuten zu Ihnen gesagt habe. Sie waren unverzeihlich.«
»Ich nehme Ihre Entschuldigung an. Und nun lassen Sie mich allein.«
Ungeachtet des einschüchternden Blicks der Herzogin trat sie noch näher. »Da wir beide essen sollten, dachte ich, es wäre vielleicht erträglicher, wenn wir es gemeinsam tun. Wir... wir könnten uns Gesellschaft leisten.«
»Wenn Sie Gesellschaft wünschen, sollten Sie zu Ihrer Mutter gehen, wie ich es vor einer Viertelstunde vorgeschlagen habe.«
»Das kann ich nicht,«
»Warum nicht?« fragte
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