Lass mich deine Liebe spueren_Zwei Maenner fuer die Herzogin
die alte Frau barsch.
»Weil«, flüsterte Alexandra erstickt, »weil ich in der Nähe eines Menschen sein muß, der ihn auch liebt.«
Nackte, unverhüllte Qual zuckte über das Gesicht der alten Herzogin, bevor sie sich schnell wieder beherrschte. Aber in diesem winzigen Augenblick erkannte Alexandra das Leid, das sie hinter ihrer kalten, hoheitsvollen Fassade verbarg.
Überflutet von Mitleid, aber bemüht, es nicht zu zeigen, setzte sich Alexandra hastig auf einen der Sessel gegenüber der Herzogin und nahm das Tuch von einem der Tabletts. Beim Anblick des Essens krampfte sich ihr Magen zusammen, aber sie lächelte tapfer. »Hätten Sie lieber eine Scheibe Hühnchen oder bevorzugen Sie den Rinderbraten?«
Die Herzogin zögerte und musterte Alexandra mit schmalen Augen. »Mein Enkel lebt!« stellte sie so abrupt fest, als warne sie Alex, etwas anderes zu behaupten.
»Selbstverständlich«, erwiderte Alex mit fester Stimme. »Davon bin ich von ganzem Herzen überzeugt.«
Die Herzoginwitwe studierte Alexandras Gesicht, überprüfte ihre Aufrichtigkeit, nickte zögernd und meinte dann fast widerwillig: »Ich denke, ich werde ein Stück Huhn probieren.«
Sie aßen schweigend. Die Stille wurde nur vom Knistern des Kaminfeuers unterbrochen. Erst als Alexandra aufstand und der Herzogin eine gute Nacht wünschte, öffnete sie den Mund und sprach Alexandra zum ersten Mal mit ihrem Namen an.
»Alexandra...?« flüsterte sie rauh.
Alex drehte sich um. »Ja, Ma’am?«
Die Herzogin holte tief und leidgequält Luft. »Beten Sie?«
Tränen brannten in Alexandras Kehle. Sie wußte instinktiv, daß sie die stolze alte Frau nicht nach ihren Glaubensüberzeugungen fragte. Sie wollte, daß sie betete.
Alexandra schluckte trocken, nickte und sagte: »Aus tiefstem Herzen!«
Die nächsten drei Tage verbrachten Alexandra und die Herzogin unruhig im kleinen Salon: zwei Fremde, die kaum etwas gemein hatten, bis auf die unsägliche Angst, die sie miteinander verband.
Am Nachmittag des dritten Tages fragte Alexandra die Herzogin, ob sie nach Anthony, Lord Townsende, geschickt hätte.
»Ich habe ihn gebeten, zu uns zu kommen, aber...« Sie brach ab, da Ramsey den Raum betreten hatte. »Ja, Ramsey?«
»Sir George Bradburn ist eingetroffen, Euer Gnaden.«
Alexandra sprang auf und ließ die Stickerei fallen, die ihr die Herzogin in die Hand gedrückt hatte. Aber als der ehrwürdige, weißhaarige Mann einen Moment später den Salon betrat, brauchte sie nur einen Blick auf seine bemüht ausdruckslose Miene zu werfen, um vor Entsetzen zu erstarren.
Die Herzogin neben ihr kam offenbar zu ähnlichen Schlüssen, denn ihr Gesicht verlor jede Farbe. Sie stand langsam auf und stützte sich schwer auf den Stock, den sie benutzte, seit sie am Grosvenor Square eingezogen waren. »Sie haben Neuigkeiten, George. Erzählen Sie sie uns.«
»Es wurde festgestellt, daß ein Mann, auf den Hawthornes Beschreibung zutrifft, gegen elf Uhr an dem Abend, an dem Hawthorne verschwunden ist, in einer Taverne im Hafen gesehen wurde. Gegen eine beträchtliche Bestechungssumme erinnerte sich der Wirt der Taverne daran, daß der Mann ungewöhnlich groß, mehr als sechs Fuß, und wie ein Gentleman gekleidet war. Der Gentleman kaufte ein paar Zigarren und verließ die Schenke wieder. Sie befindet sich dem Anlegeplatz der Fair Winds fast genau gegenüber, und wir sind überzeugt davon, daß es sich um Hawthorne gehandelt hat.«
Bradburn brach ab und sah die beiden Frauen tiefbekümmert an. »Vielleicht ist es doch besser, wenn Sie sich setzen«, meinte er.
Sein Vorschlag ließ Alexandra haltsuchend nach einer Sessellehne greifen, aber sie schüttelte den Kopf.
»Fahren Sie fort«, befahl die Herzogin heiser.
»Zwei Seeleute von der Falcon, die neben der Fair Winds angedockt hatte, wollen gesehen haben, daß ein hochgewachsener, elegant gekleideter Mann die Schenke verließ und von zwei Männern verfolgt wurde, die nicht gerade vertrauenerweckend aussahen. Die Seeleute von der Falcon waren leicht angetrunken und widmeten den Vorgängen kein größeres Interesse, aber einer von ihnen glaubt beobachtet zu haben, wie einer dem Gentleman über den Schädel schlug. Das hat der andere Seemann zwar nicht mitbekommen, will aber gesehen haben, daß sich eine der zwielichtigen Gestalten den Gentleman, den er für ziemlich berauscht hielt, auf die Schulter lud und fortschleppte.«
»Und sie haben ihm nicht geholfen?« schrie Alexandra auf.
»Keiner der Seeleute war
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