Lass mich deine Liebe spueren_Zwei Maenner fuer die Herzogin
kein junges unschuldiges Mädchen. Die wenigen Skrupel, zu denen Männer fähig sind, haben sie nur sehr selten gegenüber erfahrenen Frauen, und besonders dann nicht, wenn die Frau sie nahezu um den Verstand bringt - was bei Alexandra der Fall ist.«
»Ich würde Alexandra kaum als erfahrene Frau bezeichnen! Sie ist in vielem noch ein reines Kind.«
Nachdenklich blickte Tony seine Großmutter an. »Die ganze Situation ist so verdammt kompliziert, weil sie so jung ist und doch schon verheiratet war. Hätte sie einen Mann wie die Countess of Camden, würde niemand über ihre kleinen Späße auch nur die Stirn runzeln. Wäre sie älter, könnte die Gesellschaft von ihr nicht erwarten, sich den Regeln entsprechend zu verhalten, die für junge Mädchen gelten. Und wäre sie unscheinbar, dann wären die von ihr abgewiesenen Verehrer nicht annähernd so erpicht darauf, aus Mißgunst und Eifersucht ihrem Ruf zu schaden.«
»Haben sie das getan?«
»Nur zwei oder drei, aber sie haben aufnahmebereite Ohren gefunden. Du weißt ebensogut wie ich, daß Klatsch neuen Klatsch gebiert und sich schließlich wie ein Lauffeuer ausbreitet. Irgendwann hat jedermann genug gehört, um zu glauben, daß irgend etwas schon dran sein wird.«
»Wie schlimm ist es?«
»Noch ist es nicht schlimm. Bisher haben ihre abgewiesenen Verehrer nur erreicht, irgendwelche kleinen Mißgeschicke von ihr in ein ungünstiges Licht zu stellen.«
»Zum Beispiel?«
Anthony hob die Schultern. »Am letzten Wochenende hat Alexandra an einer Gesellschaft auf Southeby teilgenommen. Sie und ein bestimmter Gentleman verabredeten sich zu einem frühen Ausritt und verließen die Reitställe gegen acht Uhr morgens. Erst in der Abenddämmerung kehrten sie zurück, und angeblich soll Alexandras Kleidung in Unordnung und zerrissen gewesen sein...«
»Großer Gott!« rief die Herzogin und faßte sich erschreckt ans Herz.
Anthony grinste. »Der Gentleman war fünfundsiebzig Jahre alt und der Pfarrer von Southeby. Er wollte Alexandra einen alten Friedhof zeigen, den er eine Woche zuvor zufällig entdeckt hatte, damit sie dort einige der uralten Grabsteine bewundern konnte. Bedauerlicherweise konnte er sich nicht an die genaue Lage erinnern, und als sie ihn nach Stunden endlich fanden, war der alte Gentleman von dem anstrengenden Ritt so erschöpft, daß er es ablehnte, den Rückweg auf dem Pferderücken zurückzulegen. Selbstverständlich konnte Alexandra nicht ohne ihn zurückkehren — was sie auch nicht getan hat.«
»Und was war mit ihrer Kleidung?«
»Der Saum ihres Reitkleides war eingerissen.«
»Dann ist die ganze Episode doch nicht der Rede wert.«
»Selbstverständlich nicht, aber die Geschichte wurde überall herumerzählt und jedesmal ein wenig mehr ausgeschmückt, so daß sie mittlerweile zum Beispiel für fragwürdiges Verhalten geworden ist. Die einzige Lösung besteht für uns offensichtlich darin, irgendeinen alten Drachen anzustellen, der als Alexandras Anstandsdame fungiert, wohin sie auch immer geht. Aber wenn wir das tun, wird jedermann wiederum annehmen, wir würden ihr nicht vertrauen. Außerdem würde es ihr den Spaß an ihrer ersten erfolgreichen Saison verderben.«
»Unsinn!« erklärte die Herzogin im Brustton der Überzeugung. »Alexandra hat keinen Spaß, und genau das ist der Grund, aus dem ich dich zu mir gebeten habe. Sie flattert hierhin und dorthin, lächelt, flirtet und wickelt die Männer nur aus einem einzigen Grund um ihren kleinen Finger: um es Jordan zu beweisen. Um ihm posthum zu zeigen, daß sie ihn in seinem eigenen Spiel schlagen kann. Wenn alle ihrer Verehrer wie vom Blitz getroffen umfielen, würde sie es gar nicht bemerken. Und wenn sie es bemerkte, würde sie sich nicht darum scheren.«
Anthony versteifte sichtlich. »Ich würde einen harmlosen Ausflug auf einen Jahrmarkt, einen Ritt durch den Hyde Park oder ihre anderen harmlosen Vergnügungen kaum als mit Jordans Zeitvertreib vergleichbar bezeichnen.«
»Dennoch«, entgegnete die Herzogin unerschüttert, »ist das ihr Bestreben. Allerdings bezweifle ich, daß es ihr selbst bewußt ist. Bist du anderer Ansicht?«
Tony zögerte einen Moment und schüttelte dann fast widerwillig den Kopf. »Nein, vermutlich hast du recht.«
»Selbstverständlich habe ich das«, verkündete sie nachdrücklich. »Stimmst du mit mir ebenfalls überein, daß Alexandras augenblickliche Lage ihren Ruf und ihre ganze Zukunft aufs Spiel setzt? Und daß das alles eher schlimmer als besser
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