Lass mich in Dein Herz
vermisste es, wenn Gina nicht da war.
Diese drei Tage kamen Andrea merkwürdig leer vor. Sie verstand nicht, warum – nur, dass es so war.
~*~*~*~
B ereits wenige Minuten nach Beginn des ersten Trainings im Anschluss an diese Zwangspause zweifelte Andrea, dass es klug gewesen war, schon wieder weiterzumachen. Sie gab sich alle Mühe, jeden Gedanken an ihre schmerzenden Rippen zu verdrängen, und konzentrierte sich möglichst auf die Technik. Leider ohne nennenswerten Erfolg. Bereits beim zweiten Angriff überrumpelte Gina sie. Andrea flog durch die Luft und landete auf der Matte. Sie stöhnte unterdrückt.
Gina streckte ihre Hand aus, um Andrea beim Aufstehen zu helfen. »Konzentrier dich besser auf meinen Oberkörper. Dort entsteht der Angriff. Noch mal. Achte besonders auf meine Schultern und die Hüfte.«
Andrea nickte. Die nächsten Angriffe wehrte sie ab. Doch auch wenn Gina nicht viel Kraft in sie hineinlegte, reichte deren stetige Wucht aus, dass Andreas Schmerzen zunahmen. Ihre Abwehr wurde schwächer. Gina legte Andrea erneut auf die Matte. Diesmal stöhnte Andrea laut auf.
Gina hielt inne. »Hast du dir wehgetan?« fragte sie.
»Nein«, wehrte Andrea ab.
Gina hockte sich neben sie. »Wirklich nicht?« fragte sie skeptisch.
Andrea rappelte sich auf. »Machen wir weiter.«
»Wie du meinst. Lass uns aber etwas anderes probieren. Abwehr von Messerangriffen.«
Gina holte aus dem Geräteschrank ein Messer, wie es Kinder beim Indianerspiel benutzen. »Ich zeige dir jetzt verschiedene Möglichkeiten, wie man seinem Gegner das Messer abnehmen kann. Dabei versucht man, die Hand oder den Arm des Angreifers zu packen und so zu verdrehen, dass er es fallenlässt. Nimm das Messer. Ich demonstriere dir mal eine Technik.«
Andrea nahm das Messer und stand unentschlossen vor Gina.
»Greif mich an«, forderte Gina sie auf.
Andrea hob den Arm und ging auf Gina zu. Gina trat mit ihrem Fuß gegen Andreas Schienbein, so dass sie wegrutschte und auf dem Knie landete. Gleichzeitig zog Gina Andreas Arm mit beiden Händen kräftig zu sich und drückte dabei Andreas Faust weit nach hinten, so dass sich die Finger öffneten und das Messer herausfiel.
»Alles mitbekommen?«
Andrea hielt sich schmerzhaft den Brustkorb. »Ja, sehr deutlich«, keuchte sie. Sie setzte sich auf die Matte.
»Du hast doch was.« Gina musterte Andrea. »Du bist doch sonst nicht so empfindlich.«
Andrea schwieg beharrlich. Plötzlich, ehe sie überhaupt reagieren konnte, griff Gina nach Andreas T-Shirt und zog es mit beiden Händen hoch.
»Gina!« rief Andrea überrascht.
»Komm schon, das ist kein plumper Annährungsversuch. Ich will wissen, was los ist.« Betroffen ließ Gina die Hände sinken, als sie die blaugrünen Flecken erblickte. Die unübersehbaren Spuren der Prellungen zogen sich über Andreas gesamten Oberkörper.
»Ich habe mir zwei oder drei Rippen angeknackst, nichts weiter«, murrte Andrea unwillig.
Gina sah sie erschrocken an. »Und warum sagst du mir das nicht? Du kannst doch so nicht trainieren!« Sie hockte sich neben Andrea hin. Behutsam strichen ihre Finger über Andreas Haut.
Andrea zuckte zusammen. »Ich muss aber«, widersprach sie trotz der Schmerzen. »Und ich wusste, dass du so reagieren würdest. Deshalb habe ich nichts gesagt.«
»Bist du verrückt? Willst du zum Krüppel werden?« schimpfte Gina. »So eine Verletzung muss erst einmal abheilen!«
Andrea gab ein trockenes Geräusch von sich. »Meinst du, Valentin würde Rücksicht nehmen? Ganz sicher nicht.«
»Da hast du sicher recht. Aber . . .« Gina brach ab. »Wie ist das eigentlich passiert?«
»Ich hatte einen Autounfall«, erklärte Andrea kurz angebunden.
»Einfach so? Nun lass dir nicht jedes Wort aus der Nase ziehen«, forderte Gina energisch.
Andrea kam nicht umhin, alles zu berichten. Schließlich schwieg sie. Gina ebenso. Ihr wurde schlecht bei dem Gedanken, was alles hätte passieren können. Valentins Attacken nahmen an Bosheit von Mal zu Mal zu. Er wurde immer gefährlicher. Mit etwas weniger Glück hätte der durchgeschnittene Bremsschlauch leicht zu einem schwereren Unfall führen können, unter Umständen sogar mit tödlichem Ausgang. Gina schauderte bei dem Gedanken.
»Ich weiß, was du denkst«, sagte Andrea. »Aber ich glaube nicht, dass Valentin plant, mich zu töten. Das widerspräche seinem Interesse. Ein Stalker beraubt sich nicht selbst seines Opfers. Aber natürlich können seine Attacken jederzeit außer Kontrolle
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