Lass mich in Dein Herz
jedoch sofort wieder vorwitzig zurückfiel. »Judith Mahler«, stellte sie sich vor. »Wir haben eben am Telefon miteinander gesprochen.« Ihre Stimme klang zurückhaltend.
Andrea musterte sie. »Sind Sie Ginas Freundin?«
»So würde ich mich nennen.« Judith betonte das Ich bewusst provozierend.
Andrea verstand die Anspielung, ignorierte sie jedoch. »Wie geht es Gina?« fragte sie nur.
»Sie ist ziemlich mitgenommen. Einer der Typen hatte ein Messer und hat ihr damit halb den Bauch aufgeschlitzt. Gina hat viel Blut verloren. Die Wunde musste genäht werden.«
»O Gott!« Andrea schnürte es die Kehle zu. Valentin hatte also Schläger geschickt. Sie musste sich beruhigen. Was war die nächste Frage . . . eine, die sie ablenken konnte. »Was hat das Röntgen ergeben?« erkundigte sie sich.
»Weiß ich noch nicht.« Judith schüttelte besorgt den Kopf. »Gina wurde eben erst wieder zurückgebracht.« Sie wies mit dem Kopf zu einer der Türen. »Sie ist noch beim Arzt drin.«
Wie auf Stichwort öffnete sich die Tür. Gina trat in Begleitung einer Krankenschwester auf den Gang.
Judith lief auf sie zu.
Andrea folgte ihr.
»Wie geht es dir?« Judith nahm Ginas Arm.
»Sie bleibt die nächsten beiden Tage erst einmal hier«, sagte die Schwester.
Andrea stand hilflos daneben. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Die Krankenhausatmosphäre bedrückte sie. Und gleichzeitig war sie erleichtert, dass Judith offensichtlich übertrieben hatte, denn wenn der Messerstecher Gina tatsächlich halb den Bauch aufgeschlitzt hätte, hätte sie wohl nicht mehr laufen können.
Gina sah sie an. »Hallo.«
Andrea schloss für einen Augenblick die Augen. Als sie sie wieder öffnete, standen Tränen darin. Sie nahm Gina vorsichtig in die Arme und hielt sie fest. Schweigend. Dann nahm sie sanft Ginas Gesicht in ihre Hände und küsste sie zärtlich.
Die Schwester sah verwundert auf die beiden, dann zu Judith. Die grinste. Die Schwester senkte betreten den Blick.
Andrea löste sich von Gina. »Tut es sehr weh?«
»Ich habe schon bessere Tage erlebt«, erwiderte Gina schwach. »Was machst du hier?«
Die Schwester mischte sich ein. »Frau Gilbach, kommen Sie. Ich bringe Sie auf Station. Ich möchte nicht, dass Sie mir hier umfallen. Wenn Sie sich hingelegt haben, kann Ihre Freundin noch einmal zu Ihnen.«
Fünfzehn Minuten später, Judith war gegangen, stand Andrea an Ginas Bett. Gina lächelte matt. »Da müssen wir unser Abendessen wohl verschieben.«
»Es tut mir so leid, Gina«, sagte Andrea leise und nahm ihre Hand. »Ich mache mir die größten Vorwürfe, dass ich dich da hineingezogen habe.«
»Für die Sache kannst du nun wirklich nichts«, erwiderte Gina. »Ich habe mich da selbst reingeritten. Ich habe die Situation falsch eingeschätzt.«
»Nein. Es ist meine Schuld, dass du hier liegst. Denn Valentin ist mein Problem!«
Gina schüttelte den Kopf. »Andrea, hör doch mal zu! Das Ganze hatte überhaupt nichts mit Valentin zu tun!«
»Nicht?« Andrea konnte nicht so schnell umschalten.
»Nein! Ein paar Typen haben vor dem Studio eine Frau angepöbelt. Die Tatsache, dass die Frau schwarz und ihr kleiner Sohn ein Mischling war, passte den beiden Glatzköpfen nicht. Verunreinigung der deutschen Rasse nannten sie das. Na ja, du kennst mich doch. Ich mische mich immer ein.«
Andrea war sichtlich verwirrt. »Ist das wahr?«
»Natürlich. Warum sollte ich mir das ausdenken?«
Andrea sah sie eindringlich an.
Gina erriet ihre Gedanken. »Du denkst, ich will nur dein Gewissen beruhigen? Da liegst du falsch.« Sie grinste etwas schief.
»Es war nur eine Pöbelei? Ein Zufall?« fragte Andrea ungläubig.
»Ja. Ganz simpel.« Gina nickte.
»Das nennst du simpel, wenn du eine Schlägerei mit Skins anzettelst?« Andrea starrte sie sprachlos an.
»Ich dachte, mir würde schon jemand helfen.« Gina schüttelte über ihre eigene Naivität den Kopf. »Doch anscheinend ist Zivilcourage heutzutage weniger verbreitet, als ich angenommen habe. Gott sei Dank haben sich ein paar Studenten gefunden, die nicht wegschauen wollten. Sonst wären wohl noch einige Schnitte dazu gekommen.«
Andrea strich Gina versonnen übers Haar. »Versprich mir, so etwas nie wieder zu tun.«
Gina wollte sich aufrichten, sank jedoch bei dem Versuch mit schmerzverzogenem Gesicht zurück auf das Kissen. Sie stöhnte unterdrückt. »Du weißt, dass ich das nicht versprechen kann. Schon gar nicht, solange Valentin dich bedroht.«
Andrea schaute Gina
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