Lass nur dein Herz entscheiden
zur U-Bahn hinunter.
Sie blieben, was sie zurzeit waren. Meilenweit voneinander entfernt.
Bis zu ihrer Station saß Miriam in Gedanken versunken da. Wieder über der Erde, ging sie mit bleischweren Beinen nach Hause. Jay war die Liebe ihres Lebens, darüber bestand nicht der geringste Zweifel. Und sie wollte ihr Leben nicht ohne ihn verbringen und eines Tages aufwachen und feststellen, dass sie eine einsame, verwelkte alte Frau war.
Wie gern würde sie ihm vertrauen und an seine Liebe zu ihr glauben. Aber konnte sie das? Und konnte sie in diese Wohnung zurückkehren und wieder die Ehe führen, die sie vor der Trennung gehabt hatten? Und warum war seine Liebe nicht groß genug gewesen, um nach seiner Geschäftsreise über all ihre törichten Argumente hinwegzusehen und zu verlangen, dass sie sich trafen? Warum?
In Gedanken vertieft, bemerkte Miriam das Auto vor dem Haus nicht. Als Jay ausstieg und „Miriam?“ rief, glaubte sie zuerst, sich nur einzubilden, dass er wirklich da war. Starr blickte sie ihn in der Abenddämmerung an.
„Hallo“, sagte er lächelnd. „Du warst mit deinen Gedanken ganz woanders.“
Ihr Herz raste, und es gelang ihr nicht, ebenso ruhig und beherrscht wie er zu sein. „Hallo, Jay“, erwiderte sie mit zitternder Stimme. In seinem schweren Wintermantel sah er wahnsinnig attraktiv und sehr männlich aus.
„Wie geht es dir?“ Er hob ihr Kinn an und küsste Miriam auf den Mund. „Mmm. Du schmeckst nach Schokolade und Wein.“
„Die Weihnachtsfeier im Büro“, erwiderte sie, bevor ihr klar wurde, dass es angesichts der Ereignisse im vergangenen Jahr wohl nicht gerade die taktvollste Antwort war.
Jay nickte. „Bei uns wurde auch gefeiert. Wie geht es dir?“, fragte er noch einmal.
„Gut.“ Es war eine Lüge, und Miriam konnte ihm vom Gesicht ablesen, dass er es wusste. „Und dir?“
„Umso besser, weil ich dich wiedersehe.“
Er hätte sie während der letzten Wochen sehen können, wann immer er wollte. Plötzlich wollte sie ihn anschreien, ihn so schockieren, dass er aufhörte mit diesem entspannten, provozierend lässigen Auftreten. Doch sie wusste sehr wohl, dass sie es nicht durfte. Schließlich hatte er nichts Unrechtes getan. Er war weggeblieben, weil sie es verlangt hatte. Jetzt, da er hier war, erkannte sie, dass es das Letzte war, was sie gewollt hatte.
„Wie ist es in Deutschland gelaufen?“, fragte sie stattdessen.
„Es ist sehr gut gelaufen“, antwortete Jay spöttisch.
Sofort wurde Miriam wütend. Jede Nacht wach zu liegen und sich vor Sehnsucht nach diesem Mann zu verzehren, war eine Sache. Etwas ganz anderes war es, wenn er vor ihr stand und sich über sie lustig machte. „Schön.“ Miriam trat einen Schritt zurück. „Wenn du mich entschuldigen würdest, ich habe noch vieles zu erledigen. Wir reisen morgen in aller Frühe ab.“
„Ah ja, dein Urlaub mit Clara. Hat Brian nichts dagegen, allein zurückgelassen zu werden?“
Miriam mochte Jay nicht, wenn er in dieser Stimmung war. „Warum bist du hier?“, fuhr sie ihn an.
„Weil ich Sehnsucht nach dir habe.“ Er griff nach ihr, schloss sie in die Arme und küsste Miriam, bis sie außer Atem war. Als er sie wieder ansah, funkelten seine Augen. „Und weil ich dir dein Weihnachtsgeschenk geben will.“
„Aber ich habe nichts für dich“, protestierte sie entsetzt.
„Ich habe gerade bekommen, was ich mir gewünscht habe. Schau nicht so. Wenn dich das wirklich bekümmert, nehme ich mir später mehr davon.“
Was für ein Spiel auch immer er trieb, sie würde dabei nicht mitspielen. Sie liebte ihn zu sehr, und dies war reine Qual. „Jay, ich denke nicht …“
„Gut. Denk nicht. Wir haben Weihnachten. Oder fast. Hör zu, ich kann dir dein Geschenk nicht hier geben. Und ich wette, deine Pitbull-Freundin ist da, wenn ich jetzt mit hineingehe. Komm mit mir mit, Miriam.“
Ihre Koffer waren gepackt, trotzdem hatte sie noch hundert Dinge zu tun. „Nein, unmöglich.“
Wortlos zog Jay sie wieder an sich und küsste sie lange. Es war ein selbstbewusster, leidenschaftlicher Kuss, der eine Fülle von Gefühlen auslöste, auf die Miriam gern verzichtet hätte.
Deshalb versuchte sie, sich an die Realität zu klammern. „Ehrlich, das ist unmöglich. Du verstehst nicht …“
„Das Wort ‚unmöglich‘ kommt im Carter-Wortschatz nicht vor, das weißt du.“ Er drückte sie fester an sich. „Ich bitte dich nur um ein paar Minuten, Miriam. Und schließlich ist Weihnachten.“
Das ist
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