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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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weiter zu denken.«
    »Ich denke immer etwas weiter«, antwortete der Kommissar – während ihm jegliche Ironie in Hägerströms Kommentar entging.
    Dann fügte er hinzu: »Es gibt noch einen weiteren Umstand, der Sie zum perfekten Mann für den Auftrag macht.«
    »Und der wäre?«
    »Sie haben keine Kinder, Sie sind unverheiratet.«
    »Das stimmt nicht, ich habe immerhin Pravat.«
    »Ich weiß. Natürlich haben Sie Pravat, Ihren Adoptivsohn. Aber nicht auf dem Papier. Sie besitzen nicht länger das Sorgerecht. Was Ihr Umfeld anbelangt, sieht es aus, als wären Sie allein, ohne Kind.«
    Torsfjäll verstummte. Hägerström fragte sich, ob er eine sofortige Antwort erwartete.
    Der Kommissar schlug ein Bein über das andere. »Da draußen herrscht Krieg.«
    »Nein, das ist kein Krieg.«
    Zum ersten Mal während ihres Gesprächs verflüchtigte sich das Lächeln des Kommissars. Er fragte: »Und warum nicht?«
    Hägerström erklärte: »Ein Krieg hat immer ein Ende.«
    Torsfjäll sagte langsam: »Sie haben absolut recht. Und genau deswegen sind Sie der perfekte Mann. Wenn wider Erwarten irgendetwas schiefgehen sollte, wird keiner versuchen, Ihren Sohn zu behelligen. Denn keiner sieht, dass Sie einen Sohn haben. Einen Besseren als Sie können wir gar nicht finden. Bessere als Sie gibt es ganz einfach nicht.«

3
    Natalie wartete mit gemischten Gefühlen. Heute Abend würden Mama und Papa zum ersten Mal Viktor treffen. Das an sich war schon aufregend – aber noch aufregender war es, dass er zu ihnen nach Hause kommen würde. In ihren Ledersofas sitzen, den künstlichen Stuck an der Decke und die Büsten zu sehen bekommen würde, die Papa von sich selbst und von Mama hatte anfertigen lassen. Er würde an ihrem Tee nippen, und man würde ihm sicherlich einen
Rakija
anbieten. Er würde Mamas Topfpflanzen begutachten und beim Anblick ihres gerahmten Bildes vom König in der Gästetoilette, wo die Luft vom Airfreshener so kompakt war, dass man kaum hineinkam, laut auflachen.
    Aber das Aufregendste war, dass Viktor Papa treffen würde.
    PAPA .
    Natalie war vor ein paar Wochen aus Paris zurückgekommen. Sie hatte dort ein halbes Jahr verbracht. Zwei Tage in der Woche Französisch gepaukt und die restliche Zeit in einer Kneipe gejobbt, die einem Freund von Papa gehörte, was letztendlich besser für ihr Französisch war als die Schulbank. Sie fühlte sich in einem Restaurant mehr zu Hause als an vielen anderen Orten. Papa hatte sie, seit sie klein war, mit in seine Lokale genommen. Und als sie fünfzehn Jahre alt wurde, begann sie nebenbei in verschiedenen Kneipen in Stockholm zu jobben – nicht, weil sie das Geld brauchte, sondern weil Papa der Meinung war, dass sie ihren Teil beitragen sollte. Am Anfang bediente sie überwiegend, doch danach stand sie zunehmend an der Bar und kümmerte sich im Foyer diverser Clubs um die Kasse. In den vergangenen Jahren war sie dann Chefin über das Wochenendpersonal in Clara’s Kök & Bar gewesen. Sie kannte diese Branche in- und auswendig. Aber sie hatte nicht vor, für immer dort zu bleiben.
    Viktor hatte sie einige Monate, bevor sie nach Paris gegangen war, kennengelernt. Er war ein Klassetyp, der die halbe Stadt kannte und die richtige Lebenseinstellung hatte. Und er sah gut aus. Er war vielleicht nicht gerade die große Liebe ihres Lebens – aber heute wurde zum ersten Mal ein Freund zu einer Audienz eingeladen. Es war wichtig, dass Papa und Mama sich daran gewöhnten, dass sie Gesellschaft hatte.
    Natalie ging hinunter zum Tor, um Viktor in Empfang zu nehmen. Am Steuer seines X6 sah er fast wie ein Zwerg aus. Kurz bevor er in die Garagenauffahrt einbog, fuhr ein grüner Volvo im Schneckentempo hinter ihm her. Einen kurzen Augenblick dachte sie, dass Viktor so dumm gewesen wäre, einen Freund mitzubringen. Doch dann verschwand der Wagen in der Dunkelheit.
    In der Garage standen beide Autos von Papa, Mamas Renault Clio und Natalies eigener Golf, den sie als Geschenk zum achtzehnten Geburtstag bekommen hatte. Viktor musste davor parken. Die Reifen knirschten auf dem Kies. Er hob eine Hand vom Steuer und winkte ihr zu.
    Mama kam ihnen im Flur entgegen. Sie trug eine nahezu durchsichtige Bluse von Dries Van Noten und schwarze Hosen. Der Gürtel war von Gucci und mit einer Spange in Form eines G versehen.
    Sie ging auf Viktor zu. Mit ihrem fröhlichsten Gesichtsausdruck und breitesten Lächeln.
    »Ja, hallo Viktor, wie schön, Sie kennenzulernen. Wir haben schon so viel von Ihnen

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