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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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in alle Richtungen auseinander.
    Der Riesen-Toyota gab Gas.
    Er rammte ihn erneut. Bretterte mit voller Wucht gegen die Vespa.
    Jorge sah Mahmud: Bild für Bild.
    Sein Freund flog wie ein Strandball durch die Luft.
    In hohem Bogen.
    Das Meer im Hintergrund.
    Sieben Meter von ihm entfernt prallte Mahmud auf den Boden.
    Alles erstarb.

35
    Hägerström wartete in seinem Wagen auf JW . Er saß bereits seit einer Stunde hier.
    Es war nicht das erste Mal. JW hatte ihn seit dem Vorfall nach seiner Entlassungsparty schon mehrfach angerufen und gefragt, ob er ihn irgendwohin fahren könne.
    Sie hatten JW ’s Führerschein eingezogen, als er wegen schweren Drogenvergehens verurteilt wurde. Und im Knast bestand keine Gelegenheit, ihn erneut zu machen. So erging es den frisch Entlassenen immer: Nach Jahren in der Institution musste man nicht nur versuchen, in der Gesellschaft wieder Fuß zu fassen – man hatte oftmals keine Wohnung, musste hohe Summen an Schadensersatz beim Gerichtsvollzieher bezahlen und besaß keinen Führerschein. Außerdem war der Kontakt zu rechtschaffenen Freunden und zur Familie in den vergangenen Jahren vielleicht nicht gerade supergut. Hinzu kamen die Schwierigkeiten, einen Job zu finden. Denn mehr und mehr Arbeitgeber gingen dazu über, das Strafregister potentieller Bewerber einzusehen. Man begann also nicht gerade wieder bei null. Man begann mit einem Riesenminus.
    JW schwor, innerhalb von drei Monaten wieder einen Führerschein zu haben. Aber bis dahin gab es ein Problem. Er weigerte sich, U-Bahn zu fahren. »Das ist nichts für jemanden wie mich«, entgegnete er, als Hägerström ihm vorschlug, sich eine SL -Karte zu kaufen. Hägerström kam die Argumentation bekannt vor. Sein Vater war kein einziges Mal in seinem ganzen Leben in Stockholm U-Bahn gefahren. Die Sozibahn sei nichts für ihn, pflegte er immer zu sagen.
    Aus diesem Grund kutschierte Hägerström JW herum, wenn er irgendwohin wollte. Oftmals ins Büro von MB Redovisningskonsult AB , ins Fitnessstudio oder zu verschiedenen Restaurants. Manchmal bat JW ihn zu warten, und manchmal bat er ihn auch einfach nur darum, vor seinem Hauseingang zu stehen und dafür zu sorgen, dass ungebetene Gäste sich nicht die Mühe machten, ihn aufzusuchen. Danach steckte JW ihm immer einen oder mehrere Fünfhunderter zu.
    Es war eine Fortführung ihrer Verbindung. Eine Forstsetzung des Ausspionierens.
    Und Hägerström hatte ein klares Ziel vor Augen: stichhaltige Beweise für das Business zu sammeln, das JW betrieb.
    Er saß gelangweilt im Wagen. Dachte nach. Ließ Erinnerungen Revue passieren. Ging im Geiste seine eigene Geschichte durch.
    Er hatte mit einundzwanzig Jahren auf der Polizeihochschule angefangen.
    Es war eine merkwürdige Zeit. Ultramännliche Tests, Schwulenwitze im Umkleideraum, Kollegen, die Annäherungsversuche unternahmen. Er tat das, wovon er schon immer geträumt hatte: Polizist zu werden. Aber während dieser Zeit erfüllte sich auch ein anderer heimlicher Traum.
    Nach dem Sommerfest der Hochschule nach dem ersten Semester stieg er in den Nachtbus. Er war derart betrunken, dass er es kaum schaffte, das Fahrgeld für den Bus herauszukramen. Normalerweise rief er immer ein Taxi, aber aus irgendeinem Grund wollte er heute den Bus nehmen. Es war halb fünf. Der Nachtbus war nahezu leer. Ganz vorne saßen drei kichernde Bräute mit ihren weißen Studentenkappen, die voller Rotweinflecken waren. Das war alles.
    Er setzte sich weiter nach hinten. Schlief beinahe ein. Die Mädels stiegen an der nächsten Haltestelle aus, und ein Typ stieg ein. Im Bus befand sich nur noch Hägerström. Über vierzig freie Sitzplätze, und dennoch setzte sich der Typ genau neben ihn. Das war eine Provokation. Oder – Hägerström sah den Jungs normalerweise an, ob sie ähnlich drauf waren wie er – eine Einladung.
    Der Typ schlug ein Bein über das andere. Er trug einen Parka und eng anliegende Jeans. Hägerström lehnte sich gegens Fenster. Tat so, als schliefe er. Sein Körper war inzwischen angespannt wie ein Flitzebogen. Er hatte das Gefühl, nahezu wieder nüchtern zu sein.
    Es fühlte sich an, als ob der Typ sein Bein gegen seines drückte.
    Er hatte den Typen nicht näher in Augenschein nehmen können, bevor er sich setzte, aber er schien definitiv etwas von ihm zu wollen.
    Würde er sich trauen, seinem Gefühl nachzugeben?
    Das Bein des Typen an seinem Bein. Er begann zu schwitzen.
    Hägerström ließ seine Hand neben seinem Bein

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