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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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hatten. Typen, die ihren Vater nicht mochten.
    Hanna blätterte langsam. Verharrte die ganze Zeit über in ein und derselben Position, wie eine Wachsfigur. Der Waffenhändler konzentrierte sich maximal.
    Natalie dachte: Gabriel Hanna ist eine ehrliche Haut. Professionalität verbunden mit Humor. Soziale Kompetenz, sympathisch. Ihr war klar, warum er so weit gekommen war. Irgendwann in der Zukunft könnten sie vielleicht Geschäfte zusammen machen. Sie musste an JW denken – sie musste sich erneut mit ihm treffen, denn er oder Bladman mussten sie endlich mit korrekten Informationen versorgen.
    Die Minuten vergingen.
    Hanna schaute auf. »Ich bin ja schon ziemlich lange in dieser Branche.«
    Goran wandte sich ihm zu. Natalie hörte zu.
    Hanna sagte: »Man kann sich nie hundertprozentig sicher sein. Aber ich glaube, ich weiß, woher diese Munition, die Granate und der Plastiksprengstoff kommen.«
     
    Einen Tag später stieg Natalie im Lill-Janswald aus ihrem Golf. Wie immer mit Goran im Schlepptau. Inzwischen kam sie sich ohne ihn nackt vor.
    Ein merkwürdiger Ort. Obwohl sie mit ihrem Vater bereits viele Male dort gewesen war, hatte sie jetzt den Eindruck, dass er irgendwie feindlich anmutete.
    Vor ihr lag ein Skisprungturm. Ihr Vater hatte ihn nur den Turm genannt. Er hatte die Anlage vor ein paar Jahren über einen Strohmann gekauft. Ein baufälliger alter Turm, von dem aus eine Sprungschanze einen Hang hinunter auf eine darunter liegende Wiese im Wald führte. Die Schanze war dreißig Jahre lang nicht benutzt worden, und den Turm hatte zuletzt ein Mountainbikeklub genutzt. Ihr Vater hatte die Anlage renoviert. Wände herausgeschlagen, neue Treppen eingebaut, den Fußboden erneuert. Im Erdgeschoss eine Restaurantküche installiert. Einen Koch und weiteres Personal eingestellt. Es war der perfekte Ort für Konferenzen und Unternehmensevents.
    Und jetzt residierte Stefanovic dort. Der Strohmann hatte sich mit ihm zusammengetan – formell betrachtet konnte Natalie nicht viel dagegen unternehmen.
    Sie spürte, wie ihr mit jedem Schritt zunehmend die Hitze zu Kopf stieg. Stefanovic: ein verdammter Idiot. Stefanovic: ein Aas. Ein
izdajnik
.
    Sie musste sich beruhigen. Ihre Karten überlegt ausspielen. Dreimal tief durchatmen.
    Sie musste die Situation wie ein Profi meistern.
     
    Ganz oben im Turm: ein großer Raum. Fenster, die in drei Richtungen wiesen. Man konnte über den Lill-Janswald hinwegschauen. Bis nach Östermalm. Etwas weiter entfernt sah sie Stadshuset, das Rathaus. Kirchtürme und die Hochhäuser bei Hötorget. Am Horizont: Globen. Stockholm besaß eine ziemliche Ausdehnung. Ihre Stadt. Ihr Revier. Nicht das Territorium des Verräters.
    Eine Sofagruppe, ein Tisch mit sechs Stühlen rundherum, eine Minibar an der fensterlosen Wand, die mit Flaschen gefüllt war.
    In der Sofagruppe: Stefanovic.
    Marko, Stefanovics Muskelprotz, saß auf einem der Stühle.
    Stefanovic stand auf. Küsste sie dreimal auf die Wangen. Bedachte sie mit Höflichkeitsfloskeln, allerdings ohne Herzblut.
    Natalie fand, dass seine Augen wässriger aussahen als sonst. Er hatte noch einen Bluetoothstöpsel im Ohr stecken.
    Natalie setzte sich an den Tisch. Goran blieb an der Tür stehen.
    Stefanovic fragte: »Wir brauchen doch keine Zuhörer, oder?«
    Er machte eine Geste in Richtung seines Gorillas Marko. Der Typ stand auf und ging hinaus. Natalie nickte. Goran verließ ebenfalls den Raum.
    Sie und Stefanovic allein.
    Sie sagte: »Lange her, dass ich hier war.«
    Er entgegnete: »Ein schöner Ort.«
    »Der Ort meines Vaters.«
    »Nein, wir wissen beide, dass er Christer Lindberg gehört.«
    Sie pfiff auf seine Äußerung. Kam direkt zur Sache. »Stefanovic, du warst der engste Vertraute meines Vaters. Ich möchte, dass du mir sagst, was hier vorgeht.«
    Stefanovic antwortete auf Serbisch. »Du musst schon genauer sagen, was du meinst. Ich habe dir nie etwas vorenthalten, meine Liebe. Ehrenwort.«
    Er legte die Hand aufs Herz, als besäße er eines.
    Es gab keinen Grund, die Dinge länger zu verschleiern.
    »Okay, ich möchte, dass du mir erklärst, wer Melissa Cherkasova ist.«
    Stefanovic verzog keine Miene.
    »Natalie, Liebes, dein Vater hat viele Geschäfte betrieben. Einige lukrativere, andere weniger lukrative, das weißt du doch. Einige ganz legale, andere weniger legale. Einige waren allgemeiner Art, andere betrafen lediglich Männer.«
    »Ich weiß, wovon du sprichst.«
    »Gut. Manchmal braucht man eben Mädels, um die Stimmung

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