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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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Geruch auf den Straßen und die höfliche Art der Menschen. Aber er vermisste Bangkok. Phuket war ein ziemlich heruntergekommenes Touristennest. Und das Hotel, in dem er wohnte, war vermutlich das ekligste, in dem er je gewohnt hatte.
    Am ersten Tag traf er Jorge nur ganz kurz. Der Typ erklärte ihm, warum man ihn gebeten hatte, hier herunterzukommen – es klang nicht gerade nach absolut kriminellen Absichten. Aber Hägerström erhoffte sich, mehr zu erfahren. Eins war jedenfalls klar: Jorge Salinas Barrio war nicht irgendeiner. JW hatte Hägerström gebeten, einen Umschlag für den Typen mit runterzunehmen. Er öffnete ihn heimlich und besah sich den Inhalt – ein Auszug aus Jorges Strafregister. JW musste irgendeinen Insider bei der Polizei haben, der das Dokument rausgegeben hatte. Das allein war schon unangenehm.
    In den folgenden Tagen machte sich Hägerström eher rar. Er wanderte hauptsächlich in der Stadt herum und fuhr hinaus zu den Badeorten der Insel. Um jedes Ressort herum lagen Dutzende von Restaurants, Bars und Cafés. Patong Beach, Karon Beach, Kata Beach. Allein die Strände Mai Khao und Nai Yang bildeten einen Abschnitt von über sechzehn Kilometern, auf dem mehr als fünfhundert Objekte standen. Er guckte sich die Lokalitäten an, die für Jorge möglicherweise von Interesse sein könnten. Abends probierte er das Bier in besagten Lokalen. Beobachtete die Gäste, zählte die Angestellten, versuchte im Kopf den Umsatz zu überschlagen. Er wartete darauf, dass Jorge ihn erneut ansprechen würde.
    Eine Woche später saß Hägerström im Restaurant neben dem Hotel.
    Er dachte an Pravat. Es war absolut erstaunlich: Das winzige Kerlchen, Papas wilder Racker, sein kleiner Sohn würde in die Schule kommen.
    Er dachte an die Nächte, in denen er ihn zuletzt bei sich gehabt hatte. Pravat wollte in seinem Bett schlafen. Und für Hägerström war nichts so beruhigend wie neben seinem schlafenden Sohn zu liegen. Es war, als würde Pravats Schlummer seine aufgewühlte Seele zur Ruhe wiegen. Das leise Schnorcheln des Jungen hüllte seine Dämonen in einen Schleier der Entspannung. Hägerström vergaß alle Sorgen im Hinblick auf die Ermittlungen und selbst die bezüglich seiner eigenen Herausforderungen. Er war die Ruhe selbst. Es war eines der besten Wochenenden seines Lebens.
    Er schaute auf. Schob seine Gedanken beiseite. Eine Stimme neben ihm sagte etwas, möglicherweise etwas auf Schwedisch: »Hombre.«
    Es war Jorges Kumpel, Javier, der neben seinem Tisch stand. Der Typ zog sich einen Stuhl heran.
    Hägerström musterte ihn.
    Javier fragte: »Bruderherz, hast du nicht gehört, was ich gesagt habe?«
    »Nein.«
    »Aber verstehen tust du diese Sprache schon, du bist ja schließlich mal Aufseher gewesen.«
    Der Typ setzte sich. Hägerström betrachtete ihn immer noch. Wusste nicht recht, ob der Kerl ihn verarschte.
    Er entgegnete: »Deine Sprache ist ziemlich cool. Aber ich verstehe auch Schwedisch. Kannst du Schwedisch?«
    Javier lachte leise. »Ich kann drei Sprachen.«
    »Spanisch, Schwedisch und dieses Kauderwelsch?«
    »Nein, das Kauderwelsch
ist
Schwedisch, aber ich sprech es nicht mehr. Es sind ja eher Kinder, die mit Bruderherz hier und Bruderherz da rummachen. Ich meine die dritte Sprache, the international language.«
    Hägerström zog die Augenbrauen hoch.
    »The language of sex.«
    Hägerström führte seine Flasche Singha zum Mund. »Prost.«
    Javier prostete ihm mit seinem Glas zu.
    »Was machst du eigentlich hier?«
    Schon wieder wusste Hägerström nicht, was er antworten sollte. Er hatte keine Ahnung, wie er diesen Typen einschätzen sollte. Er versuchte, seine Schwingungen auszuloten, seine schleppende Stimme einzuordnen. Er war irgendwie anders.
    »Wieso? Weißt du, was man als Aufseher verdient?«
    »Jedenfalls mehr, als wir hier verdienen.«
    »Vielleicht, aber trotzdem ist es Scheiße. Der schwedische Staat verarscht uns. Wir schuften wie die Schweine, und was kriegen wir dafür?«
    »Du weißt ja immerhin,
dass
du was kriegst.«
    »Ich hab wirklich geschuftet. Weißt du eigentlich, was ich gemacht habe, bevor ich Aufseher wurde?«
    Javier schüttelte den Kopf.
    »Rate mal, Bruderherz.«
    Javier grinste.
    Der Typ erinnerte ihn in gewisser Weise an Jorge. Er hatte dieselbe Art zu reden, denselben Slang, dieselbe Art sich zu bewegen. Aber dennoch: Javier war irgendwie bedächtiger – seine Sprache vom Hasch verlangsamt. Trotz allem hatte er eine andere Intensität als Jorge. Ein

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