Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
Vom Netzwerk:
abzubrechen.
    ***
    Ich brauchte eine neue Handfeuerwaffe. Diejenige, die ich für die Putzfrau benutzt hatte, hab ich in einer Plastiktüte in ein Gewässer Stockholms geworfen. Das neue Hotel, in dem ich wohnte, lag dicht am Wasser.
    Die nötigen Kontakte verschaffte mir zum Glück mein Auftraggeber, der vermutlich aus Schweden stammte. In einer Kneipe in einem Stadtteil in der Innenstadt von Stockholm: Black & White Inn.
    Ich machte mich auf den Weg dorthin. Der Pub hatte geschlossen, wie auf einem Schild stand, doch die Tür war offen. Ich trat ein und sah mich um. Die Frau stand an der Bar und trocknete Biergläser ab. Ich hielt ihr einen Zettel mit einem Namen hin. Sie sah aufs Papier hinunter und schaute schließlich auf. Vielleicht erkannte sie mich wieder, doch sie zeigte es nicht.
    Sie signalisierte mir, ihr zu folgen. Wir gingen in einen Raum hinter der Küche. Es roch schwach nach Putzmittel. Die Farbe an den Wänden im Flur war abgeblättert, und an der Decke hing eine Neonröhre schief. Wir hätten uns auch an jedem anderen Ort in Europa befinden können. Es war ein vertrautes Gefühl, der Siff war der gleiche. Die Frau sagte nichts, doch sie nahm Haltung an, sobald ihr mein Anliegen bewusst wurde. Sie war ziemlich süß, und ihr aschblondes Haar war zu einem Pferdeschwanz hochgebunden. Sie erinnerte mich an meine erste – und einzige – Frau.
    Sie öffnete eine Tür und wies mich in meiner eigenen Sprache an, stehenzubleiben und mich nicht zu bewegen. Ich streckte meine Arme seitlich aus, während sie meinen Rücken, meine Arme und die Seiten abtastete.
Sie filzte meine Schuhe und durchsuchte meine Jackentaschen. Schließlich ließ sie ihre Hände an meinen Beinen entlang bis hinauf in den Schritt wandern. Ich verspürte ein Kribbeln da unten. Nur für den Bruchteil einer Sekunde. Dann blendete ich es aus. Sie nickte. Ich war sauber. Sie musste es bereits gewusst haben.
    Die Frau öffnete einen Stahlschrank und nahm zwei Metallkoffer heraus. Sie legte sie auf einen Tisch, stellte den jeweiligen Code ein und öffnete die Schlösser. Ich blickte auf schwarze Schaumgummiplatten mit ausgestanzten Vertiefungen, in denen in Stoff gewickelte Gegenstände lagen, vier in dem einen und fünf im anderen Koffer. Sie entfernte den Stoff um die Waffen und legte sie auf den Tisch.
    Ich wog sie in meinen Händen, inspizierte sie, spürte nach, ob sie mir ein gutes Gefühl vermittelten. Schließlich kaufte ich eine Glock 17, aus der zweiten Generation. Ein zuverlässiges Ding, das mit verschiedenen Arten von Munition funktioniert. Dann hatte sie noch eine Stetschkin APS mit Makarowmagazin. Nicht jeder würde ausgerechnet diese Waffe wählen, aber ich kannte sie besser als meinen eigenen Schwanz. Fakt war, dass ich in einer Art und Weise nostalgisch wurde, die dem Auftrag entsprach.
    Wenn sich die Gelegenheit bot, würde ich den Job abschließen. Ich wusste, dass es Wochen dauern konnte, doch jetzt war ich materiell wieder vorbereitet. Und ich hatte nicht vor, noch weitere Risiken wie die mit der Putzfrau einzugehen.
    In meiner Branche denken wir nicht so wie andere. Wir agieren nach eigenen Regeln. Ich glaub, dass wir dafür geschaffen sind. Wir sind wie eigenständige Behörden. Wir können uns nicht ändern. Das ist unsere Stärke. Wie Alexander Solonik – möge er in Frieden ruhen – zu sagen pflegte: »Eto vasja sudba« – »Das ist ihr Schicksal«.
    Ich war jetzt bereit.
    Ich würde Radovan Kranjic erledigen.

6
    Natalie saß auf dem Beifahrersitz neben Stefanovic. Der Wagen roch neu. Er war mit beigefarbenen Sitzen aus Luxusleder und einem in der Mittelkonsole eingebauten Mediensystem ausgestattet, während am Rückspiegel ein Kruzifix baumelte.
    Papa fuhr in einem anderen Wagen. Er wollte es so. Papas Geschäfte folgten den Regeln des schwedischen Staates ja nicht gerade mit dem Lineal. Und manchmal war er eben gezwungen, hart gegen Leute vorzugehen, die versuchten, ihn zu täuschen – es gab dort draußen also einige, die ihn in keiner Weise mochten. Aber deswegen in unterschiedlichen Autos zu fahren, erschien ihr übertrieben.
    Stefanovic fuhr entspannt, eine Hand im Schoß, die andere locker auf dem Lenkrad liegend. Vor einiger Zeit noch hatten Natalie und Stefanovic genau andersherum gesessen – sie hinterm Steuer und er daneben. Stefanovic war vor anderthalb Jahren einer ihrer privaten Fahrlehrer gewesen, während sie sich wie verrückt ins Zeug legte, um den Führerschein zu machen.

Weitere Kostenlose Bücher