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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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Nationalität ausgerufen. Zwischen den Fights kreischten E-Gitarren in maximaler Lautstärke. Die Silikonbräute trugen enge Shirts mit Werbung und hielten Schilder mit der nächsten Rundennummer hoch. Natalie dachte: So verdienten sie also ihren Lebensunterhalt, wenn es für die Titelseiten der Zeitschriften nicht reichte. Lollo hatte sich im letzten Jahr zwar auch die Brüste machen lassen, aber sie hatte es nicht ganz so übertrieben.
    Papa unterhielt sich zwischen den Runden mit Natalie. Kommentierte die Matches und riet ihr, so schnell wie möglich an der Universität anzufangen. Er war der Meinung, dass Jura oder BWL in Frage kämen.
    Natalie musste an den Vormittag zurückdenken. Viktor war zu ihr nach Hause gekommen, während sie noch im Bett lag, obwohl es bereits halb zwölf war.
    Sie hörte ihn ein paar Worte mit Mama wechseln. Dann kam er mit einem Frühstückstablett in den Händen herein. Tropicana Orangejuice California Style, Espresso, ein gekochtes Ei und Brot von der Bäckerei Kringlan in der Linnégata. Auch wenn sie aufgrund ihrer Diät kein Brot aß: Er war dennoch ein feiner Kerl.
    Viktor setzte sich auf die Bettkante und stellte das Tablett vorsichtig auf die Decke. Sie nippte am Kaffee. Klopfte das Ei auf.
    Nach dem Frühstück luden sie sich einen Film mit Adam Sandler in der Hauptrolle herunter – sie guckten sich gemeinsam immer romantische Komödien an.
    Viktor sagte: »Ich möchte mit dir über etwas reden.«
    »Okay.«
    »Du weißt ja, womit ich arbeite, oder?«
    »Klar weiß ich es. Mit Autos, Booten und solchen Dingen.«
    »Die Sache ist die, dass es im Moment ziemlich mies läuft. Erst kam diese entsetzliche Wirtschaftskrise, die die Leute veranlasst hat, nicht mehr so viele Autos und Jet-Skis zu kaufen wie früher. Also habe ich einen Kredit aufgenommen, um den Laden über die toughen Monate zu bringen. Und jetzt hab ich ein Problem.«
    Er fuhr fort, darüber zu reden, wie die Konkurrenz Billigware zu niedrigeren Preisen verkaufte. Dass sein Vermieter die Miete erhöht hatte. Natalie hörte nur mit einem Ohr zu – sie war zwar grundsätzlich an geschäftlichen Dingen interessiert, aber Viktors Probleme kamen ihr in gewisser Weise banal vor.
    Außerdem begann sie zu ahnen, worauf er hinauswollte.
    »Ich muss den Kredit abbezahlen, und es ist nicht gerade eine herkömmliche Bank, bei der ich in der Kreide stehe. Außerdem hab ich noch ’n paar andere Schulden hier und da, auch Steuerschulden. Es ist also im Moment ganz schön eng. Weißt du, erst hab ich gedacht, den ganzen Scheiß einfach anzuzünden und ’nen Vb draus zu machen.«
    »Das ist nicht dein Ernst, oder?«
    »Nein, eigentlich nicht. Bei einem Versicherungsbetrug hätte ich sowieso alles nur versetzt, und die Versicherungen sind wie Hyänen. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich tun soll. Alles hinschmeißen? Wenn ich die Miete nicht mehr bezahlen kann, riskiere ich ’nen Konkurs. Weißt du, was das bedeutet? Und wenn ich die Steuer nicht berappen kann, riskier ich meinen persönlichen Ruin. Und wenn ich von den Schulden nicht runterkomme, kann es passieren, dass es richtig stressig wird. Also lustig ist das nicht gerade.«
    Sie schaute ihn an. Natürlich wusste sie, was ein Konkurs war. Mindestens fünf Firmen, die Papa gehörten, hatten Insolvenz anmelden müssen. Und wenn man seine Schulden bei den falschen Leuten nicht zurückzahlte – sie war ja nicht dumm, klar kapierte sie es.
    Viktor konnte ein so trauriges Gesicht machen. Obwohl sie begriff, worauf er mit diesem Gespräch hinauswollte, bereute sie, dass sie es nicht schon vor zehn Minuten abgebrochen hatte. Sie wollte die beiden Welten nicht miteinander vermischen – wollte Viktor von Papas Sphäre fernhalten. Und vor allem: andersherum.
    Sie stand auf. Sah zu, dass sie das Gespräch beendete, bevor es ausuferte.
    »Ich muss mich jetzt um die Bewerbungsunterlagen für die Uni kümmern.«
    Es stimmte.
     
    Drei Stunden mit dem Online-Bewerbungsformular fürs Jurastudium. Eigentlich waren weder Abizeugnis noch Hochschulscheine nötig – jeder, dem es gelang, die Formulare in der richtigen Art und Weise auszufüllen, war offenbar intelligent genug.
    Sie musste wieder an Lollo denken: bereits im zweiten Jahr an der Universität. Und es schien recht soft abzulaufen: Lollo aktualisierte ihren Facebookstatus mindestens zwanzigmal im Laufe des Vormittags. Sie nutzte dafür hauptsächlich die Kaffeepausen, die sie andauernd einlegte.
     
    Die Vorbereitungen

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