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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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denken. Und JW ? Der Typ war zu labil für so etwas.
    Ihm fiel lediglich eine Person ein: der Schwede, der nach Bulle roch. Der Mann mit dem lasseähnlichsten Vornamen in ganz Schweden. Martin, der Exbulle, der Expolizist, Hägerström.
    Es war nicht gerade optimal. Aber es würde schon irgendwie gehen.
     
    Später. Arschkalt. Jorge musste an die Zeit seiner letzten Flucht denken, als er in Sommerhäusern gewohnt hatte. Aber das hier war noch schlimmer – jetzt verspürte er eher eine innere Kälte.
    Er drückte auf den Klingelknopf.
    Eine blecherne Stimme: »Die Rechtsanwälte.«
    »Hej, ich würde gern Rechtsanwalt Jörn Burtig sprechen.«
    »Er ist im Augenblick nicht in seinem Büro. Wie war noch Ihr Name?«
    »Es geht um seinen Klienten Babak Behrang. Kann ich hochkommen und warten?«
    »Das geht leider nicht. Er ist im Gericht und kommt erst gegen fünf Uhr zurück.«
    Jorge streifte weiter in der Stadt herum. Er hatte kein besonderes Ziel vor Augen. Er zog die Mütze noch etwas tiefer ins Gesicht. Schob den Schal etwas höher. Sollten die Leute doch denken, dass er
loco
[9] war. Sollten sie doch denken, was sie wollten. Hauptsache, sie riefen nicht die Bullen.
    Mit Hilfe des Fotos von der Knete und Hägerström würde Babak vielleicht einwilligen. Vielleicht würde sich alles regeln.
    Er ging hinunter zum Wasser.
    Schaute auf die Stadt hinaus. Was war das hier eigentlich für ein Ort.
    Beinahe ein ganzes Jahr lang hatte er ein Café in der Innenstadt betrieben. Mit den Negern aus der Tomtebogata ein ums andere Mal Gras geraucht. Auf Stureplan Party gemacht. Als Kind alles Mögliche in den Sportgeschäften am Sergelstorg mitgehen lassen. Süße chicas in ihren kleinen Wohnungen auf Söder bestiegen. Er kannte sich in der Innenstadt aus. Hier war sein zu Hause.
    Dennoch: Die Stadt wollte ihn nicht. Er spürte es an jeder Ecke. Die Leute warfen ihm böse Blicke zu. Hielten ihre Handtaschen etwas fester. Griffen nach ihren Handys, um gerüstet zu sein. Die Innenstadt: für ihn zu weiß. Die Innenstadt: Als würde eine israelische Mauer zwischen ihnen und ihm hochgezogen werden.
    Er versuchte sich vorzustellen, Chillentuna mit der City zu mixen. Wie würde es aussehen, wenn er die Hälfte von Sollentuna hierher verlegte? In die edlen Straßenzüge, die alten Häuser und trendigen Kneipen. Nur die Hälfte. Wie würde es sich anfühlen, wenn er die Bevölkerung mit Latinos, Somaliern und Kurden auffüllte? Wenn er jeden zweiten klinisch reinen 7-Eleven-Laden gegen einen der gemütlichen Tabakläden auf dem Malmväg austauschte. Die Hälfte der reinrassigen Labradors wegnahm und stattdessen ein paar Kampfhunde hineinsteckte. Die Kirchtürme gegen Kellermoscheen auswechselte. Die Elitegymnasien entfernte und Chaosklassen hereinnahm, in denen die Fünftklässler noch nicht mal lesen konnten, deren Atmosphäre aber vor Kreativität nur so groovte. Etwas von dem gestelzten, langweiligen, biederen Feeling durch echte Gefühle und reale Erlebnisse ersetzte.
    Er hätte es niemals ausprobieren dürfen.
La dolce vita
 – nichts für ihn. Er hätte weiterhin Cafémann bleiben sollen. Aber jetzt musste er zu Ende bringen, was er angefangen hatte.
    Das Leben deluxe
 – alles zurück auf null drehen. Paola und Jorgito wieder ins normale Leben holen.
     
    Später: Die Luft war noch kälter.
    Er drückte auf den Klingelknopf. Dieselbe blecherne Stimme.
    Er wurde reingelassen. Stieg zwei Stockwerke hinauf, ein gewöhnliches Treppenhaus.
    Die Tür zur Anwaltskanzlei klickte.
    Er trat ein.
    Stilvolles Büro – ganz ehrlich: Jorge war bestimmt zehn Jahre lang nicht mehr in einer Anwaltskanzlei gewesen. Die letzten Male, wo er seinen Verteidiger getroffen hatte, hockte er im Gefängnis. Sie hatten in einem mit Schweiß getränkten Raum ohne Fenster gesessen, um die Unterlagen für die Verhandlungen durchzugehen.
    Rote Stühle, weiße Wände, viel Glas. Ein langer Rezeptionstresen mit zwei Rezeptionisten. Das fette Logo der Kanzlei hinter der Rezeption.
    »Wie kann ich Ihnen helfen?«
    Jorge schob das Halstuch von seinem Mund herunter. »Ich suche Jörn Burtig. Er sollte inzwischen hier sein.«
    »Er ist hier, aber ich weiß nicht, ob er Zeit für Sie hat. Worum geht es, und wie war noch mal Ihr Name?«
    »Sagen Sie ihm, dass es um seinen Klienten Babak Behrang geht und dass es extrem wichtig ist.«
    Zwanzig Minuten später: Jorge saß in einem verschlissenen Ledersessel. Hier drinnen war die Einrichtung nicht ganz so

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