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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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können.
    Jorge versuchte sich zu konzentrieren. Hielt sich die Hände vors Gesicht.
    Noch einmal ging es ihm durch den Kopf: J-Boy, lass stecken. Brich das Ganze ab. Zeig, dass du smart bist. Blas es ab.
    BLAS ES AB .
    Er starrte auf seine Handflächen. Schaffte es nicht, zum Kastenwagen zurückzugehen. Hörte, wie sie im Hintergrund redeten. Sergio und Mahmud. Hektisch und mit gestressten Stimmen. Jemand nahm ihm das Walkie-Talkie ab. Er hörte Toms Stimme am anderen Ende. Es ging um Fahrzeuge. Deren Größe. Das Tor.
    Jorge driftete in Gedanken ab. Vor seinem inneren Auge zogen Bilder vorbei. Er und Paola auf dem Weg zur Schule. Sie waren alleine unterwegs. Das Letzte, was Mama jedes Mal sagte, bevor sie von zu Hause losgingen, war: »
Caminar cogidos de la mano
.« Haltet euch an den Händen. Mama dachte immer an sie – wenn Rodriguez sich nicht einmischte.
    Die Fußgängerunterführung unter dem Wohngebiet von Malmvägen war mit Graffitis zutapeziert. Die Sonne schien durch die verdreckten Scheiben. Er schaute hinaus. In den Gärten standen Rhododendronbüsche ohne Knospen – weil die kleinen Jungs sie abgepflückt hatten, um sich einen Knospenkrieg zu liefern. Schwänzende Oberstufenschüler auf kaputten Parkbänken mit eingeritzten Gangnamen. Paola war gestresst. Sie zog ihn vorwärts. Sie wollte immer pünktlich kommen. Jorge wollte nie pünktlich kommen.
    Dann blieb Paola plötzlich stehen. Sie nahm ihren Ranzen ab. Er sah hübsch aus. Sie öffnete ihn und schrie auf.
    Jorge schaute sie an. »Was ist denn los?«
    »Ich hab meine Schulbücher zu Hause vergessen.«
    »Sollen wir zurücklaufen und sie holen?«
    »Nein, nein. Das schaffen wir niemals.«
    Er sah ihr an, was gleich passieren würde. In Paolas Gesicht begann es zu zucken. Sie kniff die Augen zusammen. Und sie schrie dieselben Worte wieder und wieder.
    »Das schaffen wir niemals. Das schaffen wir niemals.«
    Dann flossen ihr die Tränen die Wangen hinunter.
    Nein, er musste jetzt zurück. Zurück nach Haga Södra, zum Parkplatz. Zurück in die beschissene Wirklichkeit.
    Er schaute auf. Hatte vor, den Jungs zu erklären, dass es besser wäre, das Ganze abzubrechen. Die Sache abzublasen. Vielleicht konnten sie versuchen, denselben Coup nächste Woche noch einmal zu starten.
    Doch Mahmud kam ihm zuvor, bevor er etwas sagen konnte: »Bruderherz, wir haben einen Vorschlag.«
    Jorge war nicht für irgendwelchen Bullshit aufgelegt. Er entgegnete: »Nicht jetzt.«
    Mahmud legte ihm die Hand auf die Schulter. »Hör zu, Babak hat doch den Range Rover. Er steht in Solna. Er braucht nur drei Minuten, um herzukommen. Der Wagen ist ja nicht auf ihn zugelassen, und Babak ist bereit, ihn uns zu überlassen, wenn wir ihm hinterher Knete dafür geben. Wir können ihn gut gebrauchen, um das Tor zu knacken. Der schafft es bestimmt.«
    Jorge sah Mahmud an. Es fiel ihm schwer, von seinen negativen Gedanken loszukommen. Er antwortete: »Der packt das Tor nicht.«
    »Doch, er schafft es. Babak glaubt jedenfalls, dass er es packt. Und Tom auch. Du bist ihn doch selbst gefahren, es ist immerhin das größte Modell von Range Rover. Wiegt mehr als zweieinhalb Tonnen, hat ’nen V8-Motor, ’nen Vierradantrieb, ’ne absolut stabile Karosserie und ’nen Kühlergrill, der andere SUV s zum Frühstück verspeist.«
    »Ich weiß. Aber wer bringt ihn hierher zu uns?«
    »Babak, er hat seine Sache bei der Bullenwache erledigt. Er ist gerade auf dem Nachhauseweg und kann in zwei Minuten hier sein.«
    »Das reicht nicht.«
    »Nun komm schon, wir haben maximal fünf Minuten Verspätung. Das schaffen wir.
Walla

    »Und was machen wir hinterher mit dem Wagen?«
    Mahmud legte Jorge auch die andere Hand auf die Schulter. »Nun komm schon, Mann.«
    Jorge schaute auf. Begegnete Mahmuds Blick. Er sah ihn inzwischen nicht mehr mit traurigen Halbmondaugen an. Jetzt: ein Aufblitzen, eine Glut. Ein Gangsterblick. Sein Kumpel glaubte an die Sache.
    Mahmud: sein bester Homie.
    Mahmud: ein echter Freund.
    Mahmud: ein Mann, auf den er sich verlassen konnte.
    Außerdem: Der Araber verbreitete eine Art gutes Feeling.
    Jorge schluckte. »Okay, wir ziehen es durch. Er muss die Nummernschilder überkleben, und wenn wir fertig sind, muss der Wagen zerstört werden. Ist ihm das klar?«
    Mahmud smilte, reagierte unmittelbar. Klickte aufs Walkie-Talkie. »Er sagt, dass wir es durchziehen.«
    Toms Stimme war zu hören. Mit neuer Energie.
    Jorge hörte ihn mit den anderen über ihre Handys sprechen. Er

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