Lasse
erwartete?
Noch eine knappe Woche bis wir wieder drehten. Und diesmal unter ganz anderen Bedingungen, da wir in einem schönen Hotel in Saarbrücken wohnen würden. Noch war ich mir nicht sicher, ob es bessere Bedingungen für mich waren. Das Kinderheim war ein Ort außerhalb der Zeit gewesen, unkomfortabel, aber dafür sehr viel lockerer, als ein durchorganisiertes Hotel.
Mein Handy klingelte. Ich rechnete eigentlich jede Minute mit dem Anruf meiner Mutter. Ich hatte ausgeplaudert, was ich nicht für ein Geheimnis gehalten hatte, nicht, nachdem es in Schweden offenbar jeder wusste, aber jetzt begann die Lawine zu rollen und irgendjemanden musste man nun wohl dafür verantwortlich machen. Ich nahm den Anruf an, ohne auf das Display zu sehen. Es war nicht meine Mutter, sondern Agnes.
»Lasse?«
»Ja.«
»Warum hast du dich nicht gemeldet? Oder auf die SMS geantwortet? Die wollen ein Fotoshooting mit uns machen, es ...«
»Ich weiß«, unterbrach ich sie schnell. »Ich drehe aber gerade, das geht jetzt nicht.«
Schweigen.
»Jetzt? Wo denn?«
»Also, ja, ich bin kurz, sehr kurz in Hamburg und dann in Saarbrücken.«
» Heimweh ?«
Ich hatte keine Ahnung, woher sie das wusste. Vermutlich Ole.
»Ja und danach gehe ich nach Schweden.« Das Regie-Praktikum bei meinem Vater.
Sie seufzte pathetisch. »Wann sehe ich dich mal?«
»Warum?«
»Hör mal, ich hab schon verstanden, du brauchst nach Krista eine Beziehungspause, aber wir sind doch Freunde, oder?«
Ehrlich ? Das war das letzte, was wir waren. Aber das jetzt zu klären, hatte ich weder Nerven noch Lust.
»Wir sehen uns zur Deutschlandpremiere von Jein , oder?«, lenkte ich freundlich ein. »Und bis dahin - ist alles gut.«
»Okay.« Agnes seufzte übertrieben. »Und was sage ich der Produktion wegen der Fotostrecke?«
»Können sie doch bei oder nach oder vor der Premiere machen, oder?«
»Okay.«
Ich fand mich genial, aber im Grunde hatte ich das Problem nur vertagt.
21 In meinem Hotelzimmer in Saarbrücken räumte ich als erstes den Alkohol aus der Minibar. Ich bat darum, ihn auch nicht wieder aufzufüllen und in der Rezeption sah man mich an, als wäre ich ein trockener Alkoholiker. Vielleicht gäbe es weniger Alkoholiker, wenn sie es einem nicht so einfach machen würden, sich einsam auf dem Hotelzimmer zu betrinken. Was ich absolut nicht vorhatte, aber da ich keine Ahnung hatte, was mich erwarten würde, fand ich es besser, mich gar nicht erst in Versuchung zu bringen.
Ich war am Spätnachmittag in Saarbrücken angekommen und hatte noch niemanden vom Team oder den Schauspielern gesehen. Da aber alle Schauspieler auf einem Flur untergebracht waren, würden wir uns früher oder später über den Weg laufen. Was Moon anging war mir früher eindeutig lieber. Ich hatte das ungute Gefühl, dass sie in der Zwischenzeit ein paar unangenehme Informationen über mich herausgefunden hatte und ich wollte sie so schnell wie möglich gerade rücken.
Ich warf mich aufs Bett und schaltete den Fernseher an, aber dann entschied ich mich um und studierte das Fitnessangebot des Hotels. Es gab einen Fitnessraum und zu meiner Überraschung sogar ein hoteleigenes Schwimmbad. Früher war ich viel geschwommen, ich war gern im Wasser, aber da ich keine Badehose mitgenommen hatte, beschloss ich, in die Stadt zu gehen und mir eine zu kaufen. Ich hielt es für eine ganz normale Sache und ließ mir im Hotel ein großes Sportgeschäft nennen. Das hätte ich vielleicht besser wissen sollen. Als ich dort stand und mir an einem Ständer eine Badehose aussuchte, tuschelten erst eine Gruppe von Mädchen bei den Aerobic-Sachen, dann zwei Typen, die ein Skateboard aussuchten und dann die Verkäufer. Die Mädchen hielten ihre Smartphones hoch und in meine Richtung. Das war doch kein Zufall ?
Ich suchte mir eine Schwimmhose aus und trug sie zur Kasse. Die Verkäuferin lächelte unsicher. Ich reichte ihr meine Karte und sie warf einen schnellen und prüfenden Blick darauf.
»Und? Wie finden Sie Saarbrücken?!«
»Äh, schön?!«
»Sie drehen hier, oder?«
Ich starrte sie sprachlos an. Was war hier los ? Sie griff unter den Tresen und schob mir eine Tageszeitung hin. Es gab einen großen Artikel über den Dreh. Sie tippte auf ein kleines, relativ unscharfes Bild von mir. »Ich habe sie gleich erkannt.« Sie reichte mir meine Kreditkarte. »Und als ich dann den Namen gelesen habe ... meine Tochter liebt Sweet Sixteen . Könnte ich ...«
Ich nickte.
Zurück im Hotel
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