Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition)
Dialog zu treten beabsichtigt. In der DDR hieß so etwas: Vorwärts diskutieren! So lange, bis das Ergebnis wunschgemäß ausfällt. Man kann nur hoffen, dass das irgendwann aufhört, dass irgendetwas passiert, das die Initiatoren zum Aufgeben bewegt. Ein Job im Ausland oder ein Erbe in der schwäbischen Heimat. Von allein schnallen die das nie.
Die Tirade der Tanja D. oder
Ungekämmte Rinder
Es ist kühl draußen, frühlingskühl: frösteln im Schatten, leichte Wärme in der Sonne. Ich öffne die Tür zum Café und setze mich direkt ans Fenster ins Licht. Eine Quiche, bitte! Auf einer Bank sitzt ein bekannter Schauspieler mit seiner Tochter, die beiden zahlen gerade, dann sind sie weg. Die Chefin geht in die Küche und kommt mit der Quiche zurück. Sie fragt: Jeht’s jut? Ich antworte.
Wat schreiben Se? Ein Buch? Na da fragen Se die Richtige. Mir steht’s nämlich bis hier mit den Weibern hier im Prenzlauer Berg. Eins im Wagen, eins am Wagen, eins im Bauch, so schettern die hier die Straße runter. Schön is dit nich! Die Weiber hier denken doch, die sind was Besseres. Weil sie Kiiiiinder haben! Huch! Is ja ganz was Neues, dass man sich fortpflanzen kann. Gucken Se, da draußen, schon wieder zwei Rinder. Wie die aussehen! Man könnte würgen, wer geht denn über so wat noch drüber? Friseur? Braucht so eine nich. Mal wat anderet als ’ne Jack-Wolfskin-Jacke? Nee, is nich. Der Alte zahlt ja, den haben se sicher mit dem Blag. Die kommen hier rein in mein Café, drei Kinderwagen auf dreißig Quadratmeter. Dann is hier dicht. Na, sag ich, einen könn Se mit reinnehmen, aber die andern Wagen bitte draußen lassen. Was mir einfällt, macht mich die Olle an, das wäre ja Diskriminierung! Ja, sag ich, wenn Sie hier alle reinrollen, gibt’s keinen Platz mehr für andere Gäste. Na hallo, sagt das Rind, das werd ich jetzt überall rumerzählen, dass man hier mit Kindern diskriminiert wird. Ja, sag ich, denn erzähln Se dit mal weiter, dann bleiben solche wie Sie endlich weg. Oder neulich, da kommt eine rein, Mittagszeit. Bei mir gibt’s Salate, Bagels, Suppen. Sagt se: Die Hackfleischsuppe hätt ich gern ohne Fleisch. Icke: Jeht nich, aber bestelln Se doch wat anderet. Sie: Entschuldigung, mein Baby ist hoch allergisch, können Sie verantworten, wenn das Kind einen Schock über die Muttermilch kriegt? Die hab ick rausgeschmissen, klar, is immer noch mein Café. Und dann wieder das Geseiere: Ich zeig Sie an, ich wohne hier und ich werde alle meine Freundinnen davor warnen, zu Ihnen zu kommen. Machen Se dit, machen Se, hab ick noch jesagt. Is doch wirklich wurscht, ob die bei mir einkehren. Die verzehrn eh nix. Sind alles Schwaben, die leiden, wenn se mehr als einsfuffzig ausgeben müssen. Manche setzen sich hin, holen ihre Thermoskanne raus und Kekse fürs Kind: Nein danke, für mich nichts. Spinnen die? Wenn’s doch mal ’n Milchkaffee sein darf, dann sitzen die drei Stunden daran, versperren den Gehweg und labern, labern, labern. Haben ja nüscht zu tun. Und dann aber die Milch für den Kaffee ohne Kuh, sondern mit Soja. Kriegen die aber nich bei mir. Klar hab ich so was da, aber für die gibt’s das nicht, nur für gute Kunden. Du lieber Himmel, der Prenzlauer Berg war mal underground, schwul, lesbisch, alles, ich komm ja von hier. Jetzt setzen die sich hier im Pulk hin, holen ihre Euter raus und stillen die Kinder. Nicht dass die da mal ’ne Decke drüberlegen oder so – neeeein, das soll jetzt aber auch wirklich jeder mitkriegen, dass sie ihr Baby ernähren können, dass sie das hinkriegen mit vierzig oder wie alt die sind. Großes Getöse. Ick meine, das Wort Stillen kommt ja wohl von STILLE . Aber dit raffen die einfach nicht, die Rinder. Ich hab schwule Stammgäste, die sehen das und sagen: Entschuldige Tanja, mir wird schlecht, ich kann nicht mehr zu dir kommen, wenn die hier ihr ganzes Gehänge rausholen. Kann ick verstehen. Ick hab selber noch mal was Kleines bekommen, der ist jetzt fünf. Sie glauben ja nicht, was bei den Elternversammlungen im Kindergarten abläuft. Da kommen die alle angelatscht, die Kinder natürlich dabei, und dann geht das los: Mein Sohn braucht Spanischunterricht, meine Tochter musste neulich alleine spielen, warum gibt’s hier eigentlich kein Bioessen, die Erzieherin hat neulich so unfreundlich geguckt … Die Leiterin, die kenn ich noch von meiner großen Tochter, die ist heulend rausgerannt. Die drohen ja alle gleich mit dem Anwalt – mit dem sind sie ja praktischerweise
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