Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition)
auch verheiratet. Was die Rinder nicht wissen, ist, dass der längst was anderes am Laufen hat – ich seh das ja alles hier. Die Typen kommen dann abends mit ihrer Sekretärin, knutschen mit der rum, und nachmittags waren sie noch mit ihrer Alten und den Kindern aufm Spielplatz. Das raffen die Rinder nicht, die denken, so, den Alten hab ich sicher, sind ja seine Kinder. Aber die Typen sind da clever. Die haben ’ne schöne Frau geheiratet, haben ihr Kinder gemacht, und dann wurde aus so ’ner Kunstwissenschaftlerin plötzlich ein Muttertier, das sich nicht mal mehr kämmt. Es ist traurig, echt. Ich meine, wir haben unsere Kinder früher auch groß gekriegt ohne das ganze Trara. Wir hatten sie, haben uns gefreut, und wenn es mal ein Problem gab, haben wir es gelöst. Natürlich sind wir immer arbeiten gegangen, gibt doch gute Kindergärten hier, die kümmern sich wunderbar um die kleinen Spatzen. Aber die Rinder finden ja, dass alles genau so sein soll, wie sie es von zu Hause kennen aus ihrem Tal. Also schön erst mal drei Jahre zu Hause bleiben, mindestens. Und dann aber fördern, fördern, fördern! Kinder sind für die kein Spaß, das ist ’ne Aufgabe, die sie lösen müssen. Du lieber Himmel! Ich versteh gar nicht, warum die sich das alles antun, warum die überhaupt hergekommen sind nach Berlin. Sollen die doch zurückgehen, dahin, wo sie herkommen. Da ist es dann auch schön ruhig, so, wie die das kennen. Denen passt ja hier nichts! Zu viel Verkehr, zu viele Häuser, zu wenig Spielplätze. Aber die dicken Familienkombis fahren, fürs nächste Kind, klar. Spinnen die? Hier gibt’s so viele Spielplätze wie noch nie. Da sitzen sie dann, die Rinder, und langweilen sich, logisch. Würd ich auch. Aber ich hab zu tun, hab das Café, hab Kinder, hab ’n Freund, ich seh gut aus. Jetzt geht’s schon los, dass sie den ganzen Gethsemaneplatz begrünen wollen, also uns Händlern hier die letzten Kundenparkplätze wegnehmen wollen. Das nennen sie dann Begegnungszone. Hallo!? Begegnungszone? Wenn ich jemandem begegnen will, ruf ich den an. Ich will nicht mit jedem hier befreundet sein und zusammen Sandkuchen backen, echt nicht. Ich versteh nicht, warum die nicht einfach wegziehen, wo das doch alles so schlimm hier für sie ist. Laber, laber, nöl, nöl – so geht das den ganzen Tag. In vier Jahren läuft hier mein Pachtvertrag aus. Kann sein, ich muss gehen, weil dieser Hamburger Heini von Vermieter ’ne Hebammenpraxis reinsetzen will. Kann aber auch sein, ich bleibe. Und wissen Sie, was ich dann mache? Dann mach ich hier ’n Pornoladen auf, mit allem Drum und Dran. Da haben die was zu gucken, die Rinder. Und auch gleich was zum Lernen. Auf jeden Fall kommen sie dann nicht mehr hier rein.
Ein Gast betritt das Café. Die Chefin unterbricht kurz, fragt: Wie immer, Holger? Wie immer. An der Kaffeemaschine stehend, erzählt sie ihm, worüber wir gesprochen haben. Holger sagt daraufhin, dass er gerade eine neue Wohnung sucht. Er wohnt in einem Hinterhaus, das direkt auf einen Innenhof mit Spielplatz hinausgeht. Ick halte dit Jeschreie nich mehr aus, sagt er, dreißig Jahre bin ick hier, aber jetze is jut – ick zieh nach Charlottenburg. Da isset ruhig. Die Chefin nickt.
H eimaturlaub oder
S tadt versus Land
I n Berlin ist ein sensationeller Frühling ausgebrochen. Die Linde im Hof des Wegwarte-Hauses knallt ein Grün ins Betongeviert, dass man schier irre werden kann daran. In den Straßen haben sich idealistische Prenzlauer Berger der kleinen Beetgevierte um die Straßenbäume bemächtigt und dort Tausendschön und Stiefmütterchen gepflanzt. Das ist mutig. Zwar gibt es bei Weitem nicht mehr so viele Hunde in der Gegend wie früher, aber doch immer noch genug, die ihre Blasen und Gedärme im städtischen Raum entleeren wollen und müssen. Die urbanen Gärtner kennen ihre natürlichen Widersacher, sie haben deshalb kleine Holzzäunchen drumherum gezimmert und ihre Kinder mit Edding Botschaften an die Hundehalter draufschreiben lassen. »Bite hier nicht hinkaken.« Süß.
Ich finde das natürlich großartig mit den kleinen Beeten. Da lernen sich die Nachbarn beim Pflanzen mal kennen, man kommt beim Buddeln ins Reden, und das Thema Häuschen-auf-dem-Land ist in solchen Situationen sicher nicht fern. Ich verfüge ja bereits seit Jahren über ein solches und weiß, dass die kleinen Primeln in der schlechten Abgasluft nur eine Andeutung dessen darstellen, was ich in Brandenburg seit Jahren habe. Ranunkelsträucher,
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