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Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition)

Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition)

Titel: Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Maier
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liegen, dass die lieben Kleinen dazu bewegt, sich umgehend auf den Boden zu schmeißen, sobald ihre Eltern hier mit ihnen einkaufen gehen. Kleinmenschen haben es sich vor den Müsliregalen, der Kühltheke und zu Füßen der Bionade-Kästen bequem gemacht. Sie langweilen sich, wälzen sich ein wenig auf dem Ökolinoleum hin und her und starren Frauen wie mir, die vorsichtig über sie drübersteigen, von unten in die Nasenlöcher. Ihre Eltern stehen derweil in Grüppchen beisammen. Sie werten den zurückliegenden Kitatag aus, machen einander auf die Vorzüge von Kreuzkümmel aufmerksam und ignorieren ihre herumlungernden Kinder, die für Kunden mit einem Einkaufswagen ein unüberwindliches Hindernis darstellen.
    Und was entdecke ich in einem jener Wagen? Zwischen Mangold und Rotwein, Käse und luftgetrockneter Salami liegt ein weiteres Kind. Wie ein gigantischer Brotlaib lagert der Sechsjährige in seinem Teilzeit-Gitterbett, er faulenzt und mault gerade lautstark seine Mutter an: »Kein Amaranth im Müsli, hab ich gesagt. Da muss ich kotzen.« Muttis Hand zuckt wie gewünscht zurück, zufrieden hängt der Amaranthverächter seine dreckigen Gummistiefel über den Wagenrand. Abfahrt!
    So viel schlechtes Benehmen, verbunden mit kritikloser Willfährigkeit der Mutter, irritiert mich. Ich ziehe weiter mit meinem Korb Richtung Keksregal und fahnde dort nach jenen Biowaffeln, die ich erst neulich im Sortiment entdeckt habe. Irgendwo hier müssen sie doch sein. Ich stehe und stiere und spüre plötzlich, wie mich etwas von links anrempelt. Es tut nicht weh, aber es vermittelt doch in seiner drängenden Masse, dass meine Anwesenheit hier vor dem Regal nicht erwünscht ist. Ich wende also den Kopf. Und sehe einen Kinderwagen, den mir die dazugehörige Mutter in den besten Jahren wort- und blicklos ins Fahrgestell rammt.
    Aha, denke ich, die gute Frau möchte vorbei, und trete beiseite. Aber das scheint den Ansprüchen der graugelockten Bürgerin bei Weitem nicht gerecht zu werden. Mit schräg nach oben gewandtem Blick scannt sie weiter das Regal, während sie in somnambulem Singsang auf ihre Tochter einredet: »Iphigenie, was meinst du, soll die Mama die Sojawaffeln nehmen oder doch lieber die mit Amaranth-Crunch? Sag mal, Iphigenie, was soll die Mama machen?« Die so angesprochene Zweijährige deutet auf die grellste Packung, rechts von mir im Regal. Die Mama folgt augenblicklich dem Wink der Ein-Meter-Königin und fängt nun ernsthaft an, mich mit ihrem Schubverband aus dem Weg räumen zu wollen.
    Was soll ich sagen? Ich schubse nicht zurück, obwohl ich dazu sowohl berechtigt als auch befähigt wäre. Ich blaffe diese altersmäßig schon etwas angenagte Frau nicht an, und Iphigenie schon gar nicht. Aber auf dem Weg zur Kasse, vorbei an all den guten Waren, den Eltern und Kindern im Biokonsum-Modus, bereite ich eine kleine Rede vor, die ich der nächsten Mutter dieser Art halten werde:
    Liebe späte Mutter! Wenn du meinst, du habest mit der Geburt deines einzigen Jetzt-wird’s-aber-Zeit-Kindes auf der Skala der Menschengemeinschaft eine Art Schutzstatus erreicht, bist du schief gewickelt. Mag sein, dass es in deiner sozialen Gruppe opportun ist, sich mit über vierzig wie Nachbars Lumpi zu kleiden. Mag sein, dass dich eine einmalige Niederkunft in dem Glauben wiegt, die Welt müsste sich von nun an deinen unangemessenen Bedürfnissen nach Platz, Rücksicht und Unterwerfung anpassen. Mag sein, du hältst dich für etwas Edleres, weil die postnatale Hormonausschüttung dir vorgaukelt, du seiest noch mal zwanzig. Aber bedenke bei dem, was du tust, dass die Frau, die du mit deiner einen Iphigenie wegzuschubsen versuchst, womöglich große, womöglich mehrere Kinder hat, die ziemlich unangenehm werden könnten, solltest du noch einmal versuchen, ihre Mutter beim Waffelkauf zu stören.
    Du sollst wissen, liebe Fortgepflanzte, dass es lange vor dir Frauen gab, die aus purer Unvernunft und ohne mannigfache monetäre Anreize seitens der Bundesregierung Babys (Plural!) geboren haben. Stell dir einfach mal vor, wie das war, als die Frau, die du achtlos beiseiteschubst, 50 Mark Kindergeld bekommen hat. Fünfundzwanzig Euro! Das würde nicht mal für Iphigenies Pekip-Kurs reichen. Schau dich doch einfach mal um, während du mit deinem Boogaboo-Kinderwagen den Kassenbereich blockierst: Was macht diese Frau, wenn sie den Supermarkt verlassen hat? Ich sag‘s dir: Sie hat frei. Sie ist frei. Fertig und durch mit allem. Ihre Kinder sind

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