Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition)
warmen sauberen Ställen nachkommen, Gemüse, das auf den weiten Äckern nie auch nur in die Nähe chemischen Düngers geraten ist.
Wenn ich in den Bioläden die feilgebotenen Produkte sehe, wird mir warm ums Herz. So schön haben wir es auf dem platten Land nämlich nicht. Bei uns draußen haben kluge Regionalplaner zugelassen, dass an jeder zweiten Ecke Discounterketten ihre Wellblechpaläste hinknallen und davor gigantische Parkplätze zupflastern dürfen, als gelte es, einer anrückenden Armee Platz für ihr Manöver zu bieten. Ja, Parkplätze gelten als warmer Willkommensgruß in Landstrichen, wo das Auto noch immer Fortbewegungsmittel Nummer eins ist. Wir Dörfler essen, was die Kelle gibt. Und wenn wir wirklich mal Appetit auf Sauerteigbrot haben oder die Eier aus der Biohühnerfarm im Nachbarort, dann fahren wir nach Berlin und kaufen dort ein.
Natürlich gibt es auch in unserer wenige Kilometer entfernten kleinen Kreisstadt einen Bioladen. Dort ist ein mürrischer älterer Mann der Herr über all die guten Dinge. Über die herrscht er wie einst zu DDR -Zeiten die Delikat-Verkäuferinnen über ihre knapp bemessenen Schätze. Beabsichtige ich, am Samstagvormittag tatsächlich noch in den Besitz eines Biobrotes zu gelangen, ist der Besuch bei Herrn Grummel zwecklos. Zwar liegen hinter seinem Verkaufstisch noch gut sichtbar fünf, sechs Brote, aber sobald ich versuche, wenigstens ein halbes zu erwerben, wird mir zugegrummelt, dass das Backwerk für »gute Kunden« reserviert sei. Okay, hab ich verstanden, dazu zähle ich mit meinem Einmal-die-Woche-Einkauf offensichtlich nicht. Ich murmele eine Entschuldigung und trolle mich zum nächsten Discounter, der ja nur eine Gehminute entfernt liegt und Brot feilbietet, das nach nichts schmeckt, aber dafür, statt zu schimmeln, einfach verkümmert.
Da ist es hier im Prenzlauer Berg natürlich viel, viel besser. Die höchste Stufe des bewussten Kundendaseins, quasi der Toyota Prius unter den Geschäften, ist der LPG -Biosupermarkt gleich bei mir ums Eck. » LPG « steht für »lecker, preiswert und gesund« und nicht, wie eine gelernte DDR -Bürgerin wie ich tatsächlich zuerst dachte, für Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft, also einen Erzeugermarkt. Der LPG -Markt wurde, vergleichbar der Situation im Berliner Umland, von kundigen Stadtplanern auf eine einstige Brache gesetzt, auf der bis dahin Musiker und Punks in Wohnwagen gelebt hatten. Nun ist hier auf zwei Etagen alles bereit für den solventen Kunden mit Gemeinschafts- und Schnäppchenmentalität. Bei der LPG kann man nämlich gegen 18 Euro Monatsgebühr Teil der Pfennigfuchserbrigade werden – wer Mitglied ist, zahlt immer ein paar Cent weniger fürs Produkt.
Staunend betrete ich olle Landpomeranze den Eintausendsechshundert-Quadratmeter-Palast. Achtzehntausend Produkte auf zwei Etagen gibt es hier, die Wände sind im beliebten Sienagelb gehalten. Hier gibt’s die ganze Welt zu kaufen, ökologisch kontrolliert und fair gehandelt. Im KaDeWe der Bionade-Boheme bewacht kein Herr Grummel die Brote. Stattdessen lächeln mir hinter dem Käse-, dem Fleisch- und dem Delikatessenstand freundliche Grünkittel entgegen, bereit, meine Wünsche umgehend zu erfüllen. Und da, direkt neben mir nestelt Blixa Bargeld seinen Einkaufszettel und die Lesebrille aus der schwarzen Anzugjacke und fragt mit seiner bemerkenswert schönen Stimme nach »Lammfleisch, aus dem man Spießchen machen kann«. Zwei Kilo Keule – »sehr schön« – kauft der Einstürzende Neubau, und gleich nebendran stellt er noch ein Töpfchen Rosmarin in seinen Korb.
Ich schwinge mich auf das schräge Laufband, das mich in die obere Etage bringt – zu noch mehr Produkten, noch mehr Vielfalt und noch größerer Zufriedenheit. Dort hat man für die Familien des Prenzlauer Bergs ein kleines Achthundert-Quadratmeter-Paradies errichtet. Nicht nur, dass es hier alles für Babys und Kleinkinder gibt, also Biowindeln, Körnerbrei, Fruchtsäfte, Stilleinlagen, Weleda-Produkte und Tees, die so sprechende Namen tragen wie »Bald Mami« oder »Sonnenkind«. Nein, es hat auch eine »Kinderparadies« genannte Spielecke, in der sich der Nachwuchs jedoch nicht aufhält – zu räudig sehen die Bauklötzchen, Pyramiden und die einsame Plüschkuh dort mittlerweile aus.
Die Kinder des Prenzlauer Bergs erobern sich die LPG -Räume auf ihre ganz eigene Weise: Sie liegen in den Gängen. Kein Quatsch. Tatsächlich muss hier irgendetwas in der sienagelben Luft
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