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Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition)

Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition)

Titel: Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter: Von Edel-Eltern und ihren Bestimmerkindern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Maier
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Camilla«. Und weil die Karte zwei Seiten hat, hat sie hinten auch noch was draufdrucken lassen: nämlich ihre Handynummer sowie ein paar Basisinformationen über Camilla. Wann sie geboren ist, dass sie Panflötenmusik mag und eine Glutenallergie hat. Wenn Anne schlau ist, nimmt sie die Karte entgegen, zeigt sie abends grinsend ihrem Mann und ruft Kirsten niemals an. Eine Mutter mit einem derartigen Schuss möchte man ja nicht zur Freundin haben.
    Es sind Dinge wie diese Mamicard, die den ohnehin leicht angekratzten Ruf der konsumfreudigen Macchiatomutter endgültig zu ruinieren drohen. Doch die Idee dahinter ist so perfide und diskriminierend, dass man die Bundesgleichstellungsbeauftragte darüber ins Bild setzen sollte. Da sitzt eine Frau mit Abitur und einem interessanten Beruf auf dem Buddelkastenrand, die nun zu ihrem großen Glück auch noch ein Baby bekommen hat. Und diese windigen Werber degradieren die Frau zu einem Muttertier ohne Nachnamen, das sich einzig und allein über die Fähigkeit zu gebären definieren soll? Das ist nicht nur lächerlich, sondern auch mittelalterlich. Die kluge, studierte Mutter würde sagen: voremanzipatorisch.
    Es gibt jede Menge unnützen Kram, der Frauen angedient wird. Gedankliche Grundlage dieser Produkte ist die Annahme, dass Frauen bei der Geburt ihren Verstand verlieren, aber immer noch so beisammen sind, dass sie ihre Kreditkarte ziehen können. Ein Beispiel? Die Firma Bellybutton verkauft das Geburtsgeschenk »Hope«. Für 19 Euro gelangt man in den Besitz eines winzigen runden Holznäpfchens, das man, so der Werbetext, »mit guten Taten, Gedanken und glücklichen Erfahrungen« füllen kann. Es ist auch schon was drin – nämlich ein rotes Bändchen, das »von Mönchen in Tibet in einem dreitägigen Ritual gesegnet wurde«. Ja, ich sehe es direkt vor mir, wie die Mönche ein paar Extraschichten eingeschoben haben, um rote Bändchen zu besingen, die dann in Europas Kruschtelkästchen landen.
    Auch schön ist ein Poster aus demselben Haus, das unter der Überschrift »Wir glauben an Kinder« »wunderschöne Statements« zu diesem Thema zusammenfasst, die in ihrer heterosexuellen Normativität und Vater-Mutter-Kind-Spießigkeit kaum zu übertreffen sind. Es fängt relativ harmlos an mit »Wir glauben an Kinderlachen«. Nun gut, dagegen ließe sich schwer etwas einwenden. Aber dann: »Wir glauben, ein Kinderwagen ist das schickste Fashion Accessoire. Wir glauben an Teilzeitkarrieren. Wir glauben, jeder sollte eine Familie haben. Wir glauben, Geld ist wichtig.« Ein strukturkonservatives Mantra, das man sich gerahmt an die Wand hängen kann. Offen gesagt glaube ich, dass die Mönche im tibetischen Hochland auf keinen Fall bereit gewesen wären, auch für diesen Gesinnungsquark eine Nachtschicht einzulegen.
    Es gibt so viel unnützen Plunder, der aus Müttern Kundinnen zu machen versucht. Die Idee dahinter: Das Beste ist gerade gut genug. Und vom Besten dann aber bitte auch alles. Es gibt zum Beispiel die japanische Spieldeckentasche für 50 Euro, mit der laut Werbung Mütter von ihren Geschlechtsgenossinnen die begeisterte Frage ernten »Wow, wo hast du die denn her?«. Es gibt Schnullerketten zu 9 Euro, auf denen »Small people for peace« steht. Oder äußerst unhandliche Holzstifte aus dem Schwarzwald, die gut aussehen und nur 14 Euro kosten. Schwangere werden gedrängt, sich eine Satinschärpe über den gewölbten Bauch zu legen, auf der » MOM « steht, oder ein Ulmenholzbettchen für 500 Euro zu erwerben, das aussieht wie ein fahrbarer Sarg.
    Und es gibt Fresco. Was klingt wie ein Hundefuttername, ist in Wirklichkeit ein Hochstuhl für Kinder. Er sieht aus wie ein sehr kleiner Friseurstuhl, hat aber Neigetechnik und jede Menge anderen Hightech-Schnickschnack, wächst mit und kostet 390 Euro. Hallo!? Dreihundertneunzig? Für einen Stuhl? Dafür gibt’s doch bei Ikea schon eine ganze Couch. Und am Ende hasst das Kleinkind seinen Designerthron und möchte nichts lieber, als auf Omas alter Fußbank sitzen. Man kennt das ja.
    Als wir einst unsere Zelte im Prenzlauer Berg abbrachen, um in unser kleines Umlandhäuschen zu ziehen, standen auch wir vor einem riesigen Berg an Kinderplunder, den die Omas, die Zeitläufte und die Trends in unser Leben gespült hatten. Zahllose Mobiles aus Plastik, die nur noch ganz leise Mozarts Kleine Nachtmusik fiepten; abgeranzte Barbie-Pferde, deren güldene Mähnen von kundiger Kinderhand gestutzt worden waren; diverse aufblasbare

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