Lassiter und der Gentleman-Fighter
einzulassen.« Seine ohnehin schon ernste Miene verfinsterte sich noch weiter. »Kennst du die Leute, die bei diesem Geschäft die Finger mit im Spiel hatten?«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung.« Sarah-Jane zuckte mit den Achseln. »Horace hat sich immer alleine mit ihnen getroffen, wenn er Verhandlungen geführt oder Ware abgeliefert hat. Ich selbst habe sie niemals zu Gesicht bekommen. Im Gegenzug hat dein Onkel ihnen auch niemals verraten, wo die Produktionsstätte des Whiskeys liegt.«
»Wahrscheinlich, weil er dich damit schützen wollte. Er musste verhindern, dass du in Schwierigkeiten kommst, wenn du wieder allein in den Bergen bist, solange er unten in der Stadt zu tun hat.«
»Das wird wohl der Grund gewesen sein. Horace war ein sehr vorsichtiger Mensch, der aus vielen Dingen ein großes Geheimnis gemacht hat.«
»Leider hat ihm das am Ende doch nicht viel genutzt.« Webber stieß ein bitteres Lachen aus. Er brütete eine Zeitlang schweigend vor sich hin, bevor er sich wieder seiner rothaarigen Begleiterin zuwandte. »Habt ihr viel Geld mit dem Verkauf des Whiskeys gemacht?«
»Das Geschäft lief nicht schlecht«, gab die junge Frau unumwunden zu. »Horace hat so viele Dollar eingenommen, dass es fast schon wieder zum Problem wurde. In der Hütte war ich gut versorgt und habe nicht viel gebraucht. Auf die Bank hat er das Geld auch nicht gebracht, aus Angst, man könnte dort misstrauisch werden. Und den Verdienst nach Hause zu schaffen, kam auch nicht in Frage. Wie hätte er das seiner Frau erklären sollen? Also hat er das Geld an einem geheimen Ort versteckt. Wo das ist, hat er mir allerdings auch niemals verraten.« Sie gab ein tiefes Seufzen von sich. »Ich fürchte, dieses Geheimnis hat er mit ins Grab genommen.«
»Nicht unbedingt.« Nun war es Webber, der eine überraschende Neuigkeit parat hatte. »Ich glaube, was diesen Punkt angeht, kann ich dir einen interessanten Tipp geben.«
***
»Au verdammt …« Obwohl Lassiter die Augen lediglich einen Spaltbreit geöffnet hatte, war die blendende Helligkeit kaum auszuhalten. Sein Schädel fühlte sich an, als würde eine schartige Axt in seinem Innern ein Gemetzel anrichten. Er schloss die Lider sofort wieder.
»Du bist also wach«, stellte eine Frauenstimme neben ihm fest. »Gott sei Dank. Eine Zeitlang hat es nämlich ausgesehen, als könne man den Undertaker schon mal damit beauftragen, eine Grube für dich auszuheben.«
Lassiter zwang sich dazu, die Augen erneut zu öffnen.
Aus dem milchigen Nebel, der ihn umgab, begann sich langsam der Kopf einer blonden Lady herauszuschälen. »Amber?«, fragte Lassiter, als er die Züge schließlich einem Namen zuordnen konnte.
»Stimmt.« Das Saloongirl lächelte erleichtert. »Dass du mich erkennst, ist ein gutes Zeichen. Es beweist, dass man dir nicht den Verstand aus der Birne geprügelt hat. Alle Achtung, du scheinst ziemlich hart im Nehmen zu sein.«
»Wo bin ich?«, wollte Lassiter wissen.
»Auf deinem Zimmer«, erklärte Amber. »Du bist gestern Abend wild entschlossen aus dem Saloon gestürmt. Nachdem du mehr als eine halbe Stunde nichts mehr von dir hast hören lassen, bin ich allmählich nervös geworden. Obwohl du es mir ja eigentlich verboten hattest, bin ich dir doch hinterher gegangen. Das war dein Glück. Ich habe dich in einer Nebenstraße gefunden. Du lagst in deinem eigenen Blut am Boden. Ich habe ein paar Männer alarmiert, die dich zurück ins Hotel gebracht haben. Dort hat sich dann der Doc um dich gekümmert. Er hat gesagt, es war Rettung in letzter Minute. Nur wenig später, und du wärst verblutet.«
»Dann habe ich dir also mein Leben zu verdanken. Thanks.« Lassiter tastete vorsichtig nach dem Verband an seinem Kopf. Er verzog das Gesicht, denn selbst diese Berührung ließ den Schmerz wieder los toben, wie eine aufgeschreckte Bestie.
»Schon gut. Wie fühlst du dich?«
»Als würde die Kavallerie unter meiner Schädeldecke einen Angriff reiten. Mit Pferden, Kanonen und allem, was sonst noch dazugehört.«
»Du hast ganz schön was abbekommen.« Amber verschränkte die Arme vor der Brust, während sie ihn eingehend musterte. »Hast du eine Ahnung, wem du das zu verdanken hast?«
Lassiter begann, sein Gehirn nach Erinnerungen zu durchforsten. Es war nicht einfach, die Bruchstücke, die dort herumschwirrten, zu einem sinnvollen Ganzen zusammenzusetzen.
»Waren es die beiden Kerle, auf die ich dich aufmerksam gemacht habe?«, erkundigte sich die
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