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Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)

Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)

Titel: Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niccolò Ammaniti
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es sich gehört. Ich hoffe, Sie haben nicht schon vom Buffet gegessen. Das Zeug da, das ist nur für unsere prominenten Gäste, nicht wahr, Mama?« Dabei wandte er sich an die Matrone am Herd. Verlegen wischte sich die Frau die Hände an der Schürze ab und nickte ihm zu. »Wir sind einfache Leute und essen lieber Pastasciutta. Nehmen Sie sich einen Stuhl. Worauf warten Sie noch?«
    Auf den ersten Blick machte Chiatti den Eindruck einer liebenswürdigen Person, mit breitem, jovialem Lächeln, doch es war deutlich zu merken, dass er im Grunde Anweisungen gab und es nicht mochte, wenn man ihm nicht gehorchte.
    Der Schriftsteller holte sich einen Stuhl, der an der Wand stand, und quetschte sich zwischen den Alten und den Mönch, die ein wenig zur Seite rückten.
    »Mama, bitte eine ordentliche Portion für Signor Ciba, er sieht ein bisschen mitgenommen aus.«
    Im Handumdrehen hatte Fabrizio eine gigantische Portion dampfender Rigatoni vor sich.
    Chiatti griff nach einer Weinflasche und goss ihm ein Glas ein. »Lassen Sie mich rasch vorstellen. »Das …«, dabei zeigte er auf den vertrockneten Alten, »ist der große weiße Jäger Corman Sullivan. Wissen Sie, der gute Mann kannte den Schriftsteller … Wie hieß der noch mal?«
    »Hemingway …«, sagte Sullivan und begann zu husten, wobei es ihn am ganzen Körper schüttelte und aus seinen Kleidern herausstaubte. Als der Anfall vorbei war, drückte er Fabrizio kraftlos die Hand. Er hatte lange Finger voller Altersflecken.
    Irgendwie erinnerte der weiße Jäger Ciba an irgendwen. Na klar! Er sah genauso aus wie Ötzi, der Mann aus Similaun, der Jäger, den man tiefgefroren in einem Gletscher in den Alpen gefunden hatte.
    Chiatti deutete auf die Sylphide. »Das ist meine Verlobte Ecaterina.« Die Frau nickte ihm zu. Sie sah aus wie eine Schneekönigin aus einem nordischen Märchen. Sie war so bleich, dass man meinen konnte, sie wäre seit drei Tagen tot. Durch ihre durchsichtige Haut sah man das Blut in ihren Adern fließen. Die feuerroten Haare bildeten eine Mähne um das flache Gesicht. Sie hatte keine Augenbrauen, und der Hals war dünn wie der eines Windhundes. Bestimmt wog sie nicht mehr als zwanzig Kilo.
    Als er den Namen hörte, fiel es Fabrizio wieder ein. Sie war das berühmte Albino-Model Jekaterina Danielsson. Ihr Bild war dauernd auf den Titelseiten der Modezeitschriften in aller Welt. Körperlich war sie das genaue Gegenteil von Chiatti.
    »Und das hier …«, er zeigte auf den Mönch. »Den müssten Sie eigentlich kennen. Das ist Zóltan Patrovič!«
    Natürlich kannte Fabrizio ihn. Wer kannte ihn nicht, den unberechenbaren bulgarischen Chefkoch und Besitzer des Restaurants Le regioni? Aber aus der Nähe hatte er ihn noch nie gesehen.
    Und der, an wen erinnerte der ihn? An Mefisto, den Erzfeind von Tex Willer!
    Fabrizio musste den Blick senken. Die Augen des Kochs waren so durchdringend, dass er fürchtete, er könnte seine Gedanken lesen.
    »Und zum Schluss unsere Larita, die uns heute Abend die große Ehre geben wird, für uns zu singen.«
    Endlich hatte Ciba ein menschliches Wesen vor sich.
    Hübsch , sagte er sich, als er ihr die Hand gab.
    Chiatti zeigte auf Ciba: »Und wisst ihr, wer das ist?«
    Fabrizio wollte gerade sagen, er sei niemand, als Larita mit strahlendem Lächeln die kleine Lücke zwischen den Schneidezähnen entblößte und sagte: »Er ist der Größte von allen! Er hat die Löwengrube geschrieben. Toll. Aber mein Lieblingsbuch ist Nestors Traum . Das hab ich dreimal hintereinander gelesen, und jedes Mal habe ich geweint wie ein Kind.«
    Fabrizio Ciba fühlte sich, als hätte ihn ein Pfeil mitten in die Brust getroffen. Fast hätte es ihn umgehauen, und er wäre an die Schulter des Mannes vom Similaun gesunken.
    Endlich jemand, der ihn verstand. Das war sein bestes Buch, um es zu beenden, hatte er sich ausgepresst wie eine Zitrone. Jedes Wort, jedes Komma hatte ihn unendliche Mühe gekostet. Immer wenn er an Nestors Traum dachte, hatte er ein bestimmtes Bild vor Augen. Ein Flugzeug war am Himmel explodiert, und die Einzelteile lagen in einem Umkreis von Tausenden von Kilometern über eine flache, unfruchtbare Wüste verteilt. Er musste die Einzelteile zusammensuchen und die Kanzel des Flugzeugs wieder zusammensetzen. Das genaue Gegenteil der Löwengrube , die ihm mühelos von der Hand gegangen war, sich fast wie von selbst geschrieben hatte. Dennoch wusste er, dass Nestors Traum sein reiferes, vollkommeneres Werk war. Aber die

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