Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)

Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)

Titel: Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niccolò Ammaniti
Vom Netzwerk:
Resonanz beim Publikum war, gelinde gesagt, lauwarm gewesen, und die Kritiker hatten es verrissen. Folglich erfüllte ihn bei den Bemerkungen der Sängerin zwangsläufig eine tiefe Dankbarkeit.
    »Nett von dir. Das freut mich. Danke«, sagte er fast verlegen.
    Auf den ersten Blick wirkte Larita so unauffällig, dass man sie, wäre man ihr auf der Straße begegnet, gar nicht bemerkt hätte; aber bei genauerem Hinsehen musste man zugeben, dass sie ausgesprochen hübsch war. Jeder Teil ihres Körpers war wohlproportioniert. Der Hals, die weder zu breiten noch zu schmalen Schultern, die schmalen Handgelenke, die zarten, feingliedrigen Hände. Der schwarze Pagenkopf, der die Stirn bedeckte. Das Gesicht war sanft. Die kleine Nase und der ein wenig zu breit geratene Mund zeugten von schüchterner, aber aufrichtiger Sympathie. Vor allem aber die großen braunen Augen mit goldenen Einsprengseln, die in diesem Moment ein wenig verwirrt blickten.
    Es war schon seltsam, dass Ciba bei all den Festen, Präsentationen, Konzerten, Einladungen, wo jeder jeden traf, der Sängerin noch nie begegnet war. Irgendwo hatte er gelesen, dass sie sehr zurückhaltend sei und sich lieber um ihre eigenen Dinge kümmere. Öffentliche Auftritte mochte sie nicht.
    So ähnlich wie ich.
    Und dann die Geschichte mit ihrer religiösen Bekehrung, die hatte Fabrizio gefallen. In letzter Zeit hatte auch er sich stark zum Glauben hingezogen gefühlt. Larita war tausendmal besser als die ganze Sippschaft der italienischen Popsänger zusammen genommen. Sie blieb lieber in ihrem Haus im toskanisch-emilianischen Apennin, um kreativ zu arbeiten …
    Das sollte ich auch tun .
    Vor seinem geistigen Auge erschien das gewohnte Bild. Sie beide in einer Berghütte. Sie machte Musik, und er schrieb. Ganz für sich. Vielleicht noch ein Kind. Auf jeden Fall ein Hund.
    Larita warf den Pony zurück. »Nichts zu danken. Wenn etwas schön ist, ist es schön, und basta.«
    Ich bin verrückt. Gerade noch wollte ich abhauen, dabei ist hier die Frau meines Lebens.
    Chiatti applaudierte vergnügt. »Gut. Haben Sie gesehen, Ciba, was für einen hübschen Fan ich für Sie aufgetrieben habe? Als Gegenleistung müssen Sie mir jetzt einen Gefallen tun. Haben Sie ein Gedicht parat?«
    Fabrizio runzelte die Stirn. »Wie meinen Sie das?«
    »Ein Gedicht, das man vor meiner Rede rezitieren könnte. Zur Einleitung hätte ich gern ein Gedicht von Ihnen.«
    Larita kam ihm zu Hilfe. »Soweit ich weiß, schreibt er keine Gedichte.«
    Fabrizio lächelte ihr zu und wandte sich dann wieder ernst an Chiatti: »Genau. Ich hab in meinem ganzen Leben noch kein Gedicht geschrieben.«
    »Aber könnten Sie nicht schnell eins schreiben, ein ganz kurzes?«
    Der Unternehmer sah auf seine Rolex. »In zwanzig Minuten, können Sie da nichts improvisieren? Nur ein paar Zeilen.«
    »Ein kleines Gedicht über Jäger, das wäre doch wunderbar. Ich erinnere mich, dass Karen Blixen …«, warf Corman Sullivan ein, aber er konnte den Satz nicht beenden, weil er wieder einen Hustenanfall bekam.
    »Nein. Tut mir leid. Ich schreibe keine Gedichte.«
    Chiatti blähte die Nasenflügel auf und ballte die Fäuste, doch die Stimme blieb freundlich. »Dann habe ich eine andere Idee. Sie könnten doch ein Gedicht von einem anderen lesen. Irgendwo habe ich einen Gedichtband von Pablo Neruda. Wäre Ihnen das recht?«
    »Warum sollte ich ein Gedicht eines anderen Autors vortragen? Da draußen sind Hunderte von Schauspielern, die sich darum reißen würden. Nehmen Sie doch einen von denen.« Langsam war Fabrizio genervt.
    Plötzlich schlug Zóltan Patrovič mit dem Messer an ein Glas.
    Fabrizio drehte sich um und wurde von seinem magnetischen Blick gefesselt. Ein unglaubliches Phänomen, die Augen des Chefs waren so groß, dass sie sein ganzes Gesicht einnahmen. Unter der schwarzen Kapuze waren nur noch zwei riesige Augäpfel, die ihn anstarrten. Fabrizio versuchte wegzusehen, aber er konnte nicht. Da versuchte er, die Augen zu schließen, aber auch das ging nicht.
    Dann legte Zóltan dem Schriftsteller die Hand auf die Stirn.
    Schlagartig, als hätte sie ihm jemand mit Macht in Erinnerung gerufen, kam Fabrizio eine Episode aus seiner Kindheit in den Sinn, die er längst vergessen hatte. Im Sommer fuhren seine Eltern mit einem Segelboot los und ließen ihn mit seiner Cousine Anna in einer Berghütte in Bad Sankt Leonhard in Kärnten in der Obhut einer österreichischen Bauersfamilie zurück. Es war eine wunderschöne bergige

Weitere Kostenlose Bücher