Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)
die Bühne, um das Gedicht vorzutragen. Er konnte es immer noch nicht fassen, dass er Ja gesagt hatte. Er sagte doch sonst zu allem Nein. Zu den aggressivsten Presseleuten. Zu den Parteivorsitzenden. Zu den Werbefritzen, die ihm Wagenladungen voller Geld versprachen.
Was war bloß in ihn gefahren? Es war, als hätte ihn jemand zum Jasagen genötigt. Und dann noch Pablo Neruda, den konnte er nun überhaupt nicht ab.
»Bist du bereit?«
Fabrizio drehte sich um.
Mit einer Espressotasse in der Hand kam Larita auf ihn zu. Wenn man ihr Lächeln sah, hätte man sie am liebsten umarmt.
»Nein. Überhaupt nicht«, räumte er verzweifelt ein.
Sie begann, mit dem Löffel den Zucker aus der Tasse zu kratzen, und machte, ohne Ciba anzusehen, ein Geständnis: »Weißt du, dass ich einmal extra zu einer Lesung aus der Löwengrube in der Maxentius-Basilika nach Rom gefahren bin?«
Damit hatte Fabrizio nicht gerechnet. »Wirklich? Und warum bist du dann nicht nach vorn gekommen, um mir Guten Tag zu sagen?«
»Wir kannten uns doch gar nicht. Ich bin schüchtern, und außerdem stand da eine Riesenschlange von Leuten, die ein Autogramm von dir wollten.«
»Das war ein schwerer Fehler. Eine schlimme Sache.«
Larita kam lachend näher. »Und weißt du was? Eigentlich mag ich solche Feste nicht. Ich wäre auch nicht gekommen, wenn Chiatti mir nicht ein so hohes Honorar angeboten hätte. Weißt du, mit dem Geld will ich nämlich in Maccarese ein Walfisch-Reservat gründen.«
Fabrizio wusste nicht, was er dazu sagen sollte, und versuchte abzulenken. »Das wäre schlimm gewesen, denn dann hätten wir uns nicht getroffen.«
Sie begann, mit der Espressotasse herumzuspielen. »Das stimmt.«
»Hör mal, warst du schon mal auf Mallorca?«
Larita war sprachlos. »Es ist absurd, dass du mich ausgerechnet danach fragst. Kennst du Escora, im Norden der Insel?«
»Das ist ganz bei mir in der Nähe.«
»Da werde ich sechs Monate verbringen, um meine neue Platte aufzunehmen.«
Vor Aufregung schlug Fabrizio die Hand vor den Mund. »Ich habe ein Häuschen in Capdepera …!«
Unglücklicherweise kam ausgerechnet in dem Moment der Typ, der ihm das Mikrofon angesteckt hatte. »Dottor Ciba, Sie müssen auf die Bühne. Sie sind jetzt dran.«
»Einen Moment noch«, sagte Fabrizio, wobei er ihm Zeichen gab zu warten, dann legte er Larita die Hand auf den Arm. »Versprichst du mir was?«
»Was denn?«
Er sah ihr direkt in die Augen. »Bei solchen Festen spielen alle nur eine Rolle, die Leute kommen sich nicht näher. Aber bei uns war es anders. Vorhin hast du gesagt, dass dir Nestors Traum gefallen hat. Jetzt sagst du, dass du genau in die Ecke von Mallorca fährst, wo auch ich immer hinfahre, um zu schreiben und ein bisschen Ruhe zu finden. Du musst mir versprechen, dass wir uns wiedersehen.«
»Verzeihung, Dottor Ciba, Sie müssen jetzt wirklich auf die Bühne.«
Fabrizio warf dem Typen einen vernichtenden Blick zu und sagte dann zu Larita: »Versprichst du mir das?«
Larita nickte. »Okay, ich verspreche es.«
»Warte hier auf mich … Ich gehe nur kurz weg, liefere einen blamablen Auftritt ab und komme dann sofort zurück.« Völlig aufgekratzt erklomm Fabrizio, ohne sie noch einmal anzusehen, die Treppe zum Rednerpult. Oben fand er sich auf einer kleinen Bühne wieder, vor der sich die Festgäste drängten.
Ciba winkte ihnen zu, fuhr sich mit den Händen durch die Haare, lächelte halbherzig, holte den Gedichtband aus der Tasche und wollte gerade anfangen zu lesen, als er Larita bemerkte, die sich durch die Menge in Richtung Bühne schob. Sein Mund wurde trocken. Er fühlte sich in die Zeiten zurückversetzt, als er in der Schule Gedichte aufsagen musste. Er steckte das Buch wieder ein und sagte verlegen: »Ursprünglich wollte ich ein Gedicht des großen Pablo Neruda vorlesen, aber jetzt möchte ich lieber ein eigenes vortragen.« Pause. »Ich widme es einer Prinzessin, die nie ihre Versprechen bricht.« Und er begann:
»Mein Leib wird sein wie ein Tresor,
In dem ich dich vor der Welt verstecke.
Meine Adern werde ich mit deiner Schönheit füllen,
In meiner Brust all deinen Kummer begraben.
Ich werde dich lieben wie ein Clownfisch die Anemone.
Deinen Namen werde ich besingen, hier, heute, jetzt.
Tauben Ohren werde ich von deiner Sanftheit brüllen,
Blinden Augen deine Schönheit ausmalen.«
Einen Augenblick blieb es still, dann brandete der Applaus auf. Einige schrien begeistert: »Bravo, Ciba! Du bist wirklich ein
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