Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)
wankte aber bedenklich und drohte umzukippen. Verzweifelt klammerten sich Fabrizio und Larita an die Korbreste und schrien, nicht weniger erschrocken, laut.
Das Tier wich einer Eiche aus, wäre beinah über eine Wurzel so dick wie eine Anakonda gestolpert, fand aber das Gleichgewicht wieder und galoppierte direkt in einen Brombeerbusch hinein. Es sprang über einen Graben, machte einen Schritt, dann noch einen und spürte dann plötzlich, wie die Erde unter ihm nachgab. Das panische Auge hörte auf zu rollen, das Maul öffnete sich vor Überraschung, und dann stürzte das Tier, mit den Beinen und dem Rüssel zappelnd, lautlos in einen von der Vegetation überwachsenen Abgrund. Es stürzte zwanzig Meter in die Tiefe, stieß mit dem Kopf an eine Felsspitze, wurde zurückgeschleudert, überschlug sich und blieb dann an zwei Bäumen hängen, die wie die Zinken einer Gabel über den Abgrund ragten. Das Tier lag mit gebrochener Wirbelsäule auf dem Rücken, wandt sich verzweifelt und stieß schreckliche Schmerzensschreie aus, die allmählich schwächer wurden.
Fabrizio war aus dem Korb herausgeschleudert worden, spürte, wie auch er im Dunklen in die Tiefe stürzte, an Ästen, Lianen und Efeu abprallte und schließlich zwischen den Wurzeln einer Eiche landete, die sich an einer Felswand entlanghangelten. Einen Moment später fiel Larita auf ihn und rutschte auf den Abgrund zu.
Der Schriftsteller streckte den Arm aus und bekam gerade noch, kurz bevor sie abstürzte, den Kragen ihrer Jacke zu fassen. Das Gewicht zog auch ihn nach unten, und ein stechender Schmerz im Trizeps nahm ihm den Atem.
Larita, die in der Luft hing, zappelte und kreischte, als sie nach unten sah: »Hilfe! Hilfe!«
»Nicht bewegen«, sagte Ciba flehend, »sonst kann ich dich nicht halten.«
»Hilf mir! Bitte, hilf mir doch. Lass mich nicht los.«
Ciba schloss die Augen und versuchte durchzuatmen. Sein Bizeps zitterte vor Anstrengung. »Ich kann nicht mehr. Halt dich irgendwo fest.«
Larita streckte die Hand nach einer Efeuranke an der Felswand aus. »Zu weit weg! Scheiße, ich komm nicht ran!«
»Du musst dich mehr strecken, ich kann nicht mehr …« Ciba war knallrot im Gesicht, und sein Herz schlug bis zum Hals. Er durfte nicht nach unten sehen, das waren mindestens dreißig Meter freier Fall.
Ich bin kein Mensch. Ich bin ein Schiffstau. Ich habe keine Schmerzen und kein Gehirn , versuchte er, sich selbst einzureden. Aber seine Armmuskeln zitterten beängstigend. Mit Schrecken stellte er fest, wie seine Kraft nachließ und ihm der Stoff langsam aus den Fingern rutschte. Verzweifelt biss er in eine Wurzel und schrie: »Ich lass dich nicht los!«
Aber er ließ los.
Das Gesicht in eine Liane vergraben, verharrte er reglos, fast wie gelähmt. Er war so aufgewühlt, dass er nicht denken konnte, nicht weinen, nicht runtergucken.
Aber dann hörte er ein schwaches Stimmchen: »Fabrizio. Ich bin hier unten.«
Als er sich vorbeugte, sah er im hellen Mondlicht, dass Larita sich ein Stück weiter unten, nur ein paar Meter entfernt, an einer Efeuranke festhielt, die an dem Felsen entlangwuchs.
Schweigend rangen sie nach Luft. Als Fabrizio wieder zu Atem kam, fragte er sie: »Alles in Ordnung?«
Larita hatte sich um die Pflanze gewickelt. »Ja. Alles in Ordnung … Ich hab’s geschafft.«
»Nicht nach unten sehen, Larita.« Ciba machte es sich auf der Wurzel bequem und massierte seinen schmerzenden Arm.
Dann traf ihn ein Steinchen an der Stirn. Dann noch eins. Dann eine Lawine aus Steinen, Erde und trockenen Zweigen. Ciba sah nach oben. Mitten am Himmel stand kreisrund wie eine Kugel der Mond. Er neigte ein wenig den Kopf, und genau vor dem Mond zeichnete sich wie ein chinesischer Schatten der schwarze Umriss des Elefanten ab, wie er auf einer der beiden Eichen lag.
Genau über ihm.
Als er gerade eine Hand über die Augen legte, um sich vor der herabfallenden Erde zu schützen, hörte er das Krachen von splitterndem Holz. Der Baum wankte.
»O mein Gott!«, murmelte Ciba.
»Was ist los?«, fragte Larita.
»Der Elefant! Er …«
Mit einem lauten Knall brach der Stamm durch. Der Dickhäuter stieß einen letzten verzweifelten Schrei aus und stürzte dann zusammen mit der Eiche und einem Steinhagel in die Tiefe.
Instinktiv riss Ciba die Arme vor den Kopf. Kniff die Augen zu. Ihm drehte sich der Magen um.
Nun flog er ins Schwarze. Das Dunkel umgab ihn wie eine mitfühlende Mutter und verhinderte, dass er unter sich den Boden sah, der auf ihn
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