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Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)

Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)

Titel: Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niccolò Ammaniti
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würden Schmerzwellen gegen seinen Körper anbranden. Er schloss die Augen, öffnete sie wieder, sah zum Himmel auf und begann mit rauer, holpriger Stimme: »Ich habe letzthin, ohne dass ich selbst weiß warum, alle meine Munterkeit verloren und meine gewohnten Übungen sein lassen. Und in der Tat, so sehr drückt mich die Schwermut, dass dieser stattliche Bau, die Erde, mir nur ein dünnes Vorgebirge scheint; dieser vortreffliche Baldachin, die Luft, seht her! Dies kühne überhängende Firmament, dies majestätische Dach, durchbrochen vom goldnen Fenster, ach, all das scheint mir nichts weiter als eine faule Ansammlung pestilenzialischer Dünste. Was für ein Werk ist doch ein Mann! Wie edel an Verstand! Wie unbegrenzt an Fähigkeiten! An Gestalt und Bewegung wie feingefügt und bewundernswert! An Taten wie gleich einem Engel! An Ahnung wie gleich einem Gott! Das Schönste auf der Welt! Das Vorbild der Geschöpfe! Und doch, für mich: was ist die Quintessenz des Staubes? Der Mann erfreut mich nicht; nein, auch das Weib nicht.«
    Mantos schwieg einen Augenblick, dann fragte er ihn: »Von wem ist das?«
    Zombie zog die Nase hoch. »William Shakespeare. Hamlet. Mir geht’s noch beschissener als ihm. Deshalb könnte ich auch was Gutes tun … Ich hab drüber nachgedacht … Aber das ist tausendmal schwieriger als was Böses. Und ehrlich gesagt, scheiß ich auf gute Werke für, was weiß ich … Kinder in Afrika zum Beispiel. Die gehen mir genauso auf den Geist wie der Rest der Menschheit, und deswegen will ich Schluss machen und lieber als der geisteskranke Mörder von Larita in die Geschichte eingehen. Und vergiss nicht, du hast es selbst als Erster gesagt. Es ist alles ganz einfach und …«, er holte tief Luft, »unendlich traurig. Jedenfalls, auch wenn du nicht mehr mitmachen willst, kein Problem, dann ermorde ich die Sängerin allein. Aber bitte, entscheide dich schnell, sonst fressen mich die Mücken.«
    Mantos schämte sich, dass er Zombie als Verräter verdächtigt hatte. Sicher, er war in einer grauenhaften Verfassung, vermutlich hatte er die Antidepressiva abgesetzt. »Zombie, hör mir gut zu. Wir lassen das mit der Hierarchie. Schluss mit Chef und Jünger. Ab jetzt sind wir gleich. Die Bestien, das sind wir beide, du und ich. Ein Duo. Wie Simon & Garfunkel, verstehst du?«
    Zombies Augen glänzten. »Du und ich. Gleich und zusammen. Bis zum Ende.«
    »Gleich und zusammen. Bis zum Ende«, wiederholte Mantos.
    Zombie sah zum Himmel hoch. »Inzwischen ist es dunkel geworden. Ich gehe jetzt und lege das Kraftwerk lahm.«
    »In Ordnung. Ich entführe Larita, und dann treffen wir uns am Tempel von Forte Antenne. Heute Nacht steht der Mond gut, um sie zu beseitigen.«

48 Mit einem ohrenbetäubenden Knall stürzte eine jahrhundertealte Pinie um. Unter ihrem enormen Gewicht zersplitterten Steineichen, Eichen, Lorbeerbüsche, und vom Boden stieg eine große Wolke aus Staub und Blättern auf, aus der der große Elefant hervorkam wie ein urzeitlicher Albtraum.. Unter den Füßen des galoppierenden Dickhäuters erbebte die Erde. Nichts konnte ihn aufhalten. Sein Denkvermögen schrumpfte auf einen simplen Urinstinkt, wegrennen. Sein bekanntermaßen gutes Gedächtnis war futsch, auf der Evolutionsskala stürzte er ab auf die Stufe von Sardinen, die vor Thunfischen fliehen.
    Alles hatte er vergessen: seine Kindheit in einem rollenden Käfig. Seine Kunststücke in der Zirkusmanege. Die Verbeugungen, das Nassspritzen, die Peitschenhiebe ebenso wie die Kartoffeln. Alles wie weggeblasen, so sehr hatte der Schreck ihn überwältigt. Was war das für ein ungastlicher, dunkler Ort? Was waren das für Pfosten, die aus der Erde ragten? Was waren das für Düfte? Alles war so bedrohlich, dass er einfach nur fliehen musste, und nichts, keine Brombeerhecke, kein Baumstumpf, kein Gebüsch und kein Gras konnten seinen Lauf stoppen. Ab und zu bog er den Rüssel nach oben, trompetete erbarmungswürdig, hob einen Baumstumpf hoch und schleuderte ihn weit weg. Die bunte Decke, die man ihm übergelegt hatte, hing in Fetzen an ihm herunter, und aus einer langen Schramme tropfte das Blut die Hinterbeine hinab. Ein Ast hatte sich tief wie eine Harpune in seine rechte Schulter gebohrt. Obwohl er sich dauernd den Kopf stieß, ein Auge war schon lädiert, das andere mit panisch rollendem Augapfel weit aufgerissen, bahnte er sich einen Weg durch die dichte Vegetation.
    Das Korbgestell, inzwischen halb aufgelöst, war zwar noch festgeschnallt,

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