Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)

Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)

Titel: Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niccolò Ammaniti
Vom Netzwerk:
zuraste. Wie oft hatte er sich gefragt, ob Selbstmörder, die sich von Häusern oder Brücken stürzten, wohl die Zeit hätten, ihr Ende zu begreifen, bevor sie aufschlugen. Oder ob das Gehirn angesichts eines so schrecklichen Todes vielleicht einen Blackout habe und die Sinne verdunkele.
    Jetzt wusste er es. Das Gehirn funktionierte ausgezeichnet und schrie: »Du stirbst!«

49 Der Mond, der wie eine Kugel am Himmel stand, färbte das Gras silbern, aber Edo Sambreddero, genannt Zombie, durchquerte mit gesenktem Kopf die Savanne und würdigte ihn keines Blickes. Mit einer Hand umklammerte er die Geflügelschere.
    Eine leichte Brise, frisch genug, um ihn frösteln zu machen, wehte ihm in die Jacke. Der Satanist rieb sich die Arme, um diese innere Kälte zu vertreiben, die ihn nicht mehr verließ.
    Vor ihm lief eine Herde Gazellen vorbei, dann eine Gruppe Kängurus. Doch nicht einmal dieses Spektakel vermochte seine Aufmerksamkeit zu fesseln.
    Wie hieß es bei Hamlet? »Dieser stattliche Bau, die Erde, mir nur ein dünnes Vorgebirge scheint; dieser vortreffliche Baldachin, die Luft, seht her! Dies kühne überhängende Firmament, dies majestätische Dach, durchbrochen vom goldnen Fenster, ach, all das scheint mir nichts weiter als eine faule Ansammlung pestilenzialischer Dünste.«
    Ja, die Erde war wirklich ein widerlicher Ort.
    Nur an einem derart widerlichen Ort war es möglich, dass Silvietta einen wie Murder heiratete.
    Als er die beiden Verliebten dabei überrascht hatte, wie sie von ihrer Hochzeit redeten, hatte er zuerst gedacht, das sei ein Scherz. Das darf doch nicht wahr sein , hatte er sich immer wieder gesagt, als er ihr Gerede über Kirche, Empfang und all den anderen Schwachsinn hörte. Aber als er dann sah, wie Silvietta vor Rührung weinte, hatte er begriffen, dass es kein Scherz war, und irgendetwas in ihm war für immer abgestorben.
    Als Kind hatte ihn sein Großvater oft in den Garten mitgenommen, ein Stückchen Land unter dem Viadukt in Oriolo, und ihm das Fläschchen mit dem Unkrautvertilgungsmittel gegeben. »Davon genügt ein Tropfen«, hatte ihm der Großvater eingeschärft. Mit einer Pipette hatte Edo dann einen einzigen pechschwarzen Tropfen auf eine Pflanze fallen lassen, und keine halbe Stunde später hatte sie jegliche Farbe verloren und sich in verdorrtes Gestrüpp verwandele.
    Mit mir ist genau dasselbe passiert . Silvietta hatte sein Herz für immer verdorren lassen.
    Wie oft hatte sie sich bei ihm über Murder beschwert, er sei roh und vergesse immer ihren Monatstag?
    »Mit ihm kann ich nicht so reden wie mit dir. Du bist anders. Du verstehst mich …«
    Wie viele Abende hatten sie am Telefon verbracht, sich dabei Amici im Fernsehen angeschaut und die kleinen Ungeheuer ohne Talent gehasst, die sich immer stritten; oder über Musik geredet, über Motörhead und die historische Bedeutung von Saxons Denim and Leather? Wie oft waren sie samstags die Via del Corso rauf- und runtergegangen und hatten dabei alles vergessen, die Zeit, die Sonderangebote der Geschäfte, die Leute um sie herum und den Bus, mit dem sie eigentlich wieder nach Hause fahren mussten?
    Okay, sie waren kein Paar. Silvietta ging mit Murder. Aber was hatte dieser Fettsack mit Schuppen, was er nicht hatte?
    Na gut, er, Zombie, hatte diesen angeborenen Mundgeruch, aber im Internet hatte er gelesen, dass man das inzwischen vollständig heilen konnte, mit Stammzellen. In Italien war das zwar verboten, aber sobald seine Mutter starb, würde er die Goldmünzen mit Papst Johannes Paul I. erben, und dann konnte er sich eine Behandlung in Amerika leisten.
    Einmal, als Murder nach Follonica gefahren war, um seine Tante zu besuchen, waren Silvietta und er, Zombie, zusammen in der Pizzeria Jerry 2 essen gegangen. Das war ein besonderer Abend gewesen, denn es hatte sich eine einzigartige Vertrautheit eingestellt. Sie hatte ihm von ihren Ängsten erzählt, die sie als Kind geplagt hatten, und von ihrem Traum, eines Tages eine Königin des Death Metal zu werden.
    Danach hatte er sie nach Hause gebracht und sich wie immer mit einem respektvollen Küsschen auf die Wange verabschiedet, sie aber hatte mit den Lippen seinen Mundwinkel gestreift. Es war nur ein kurzer Augenblick gewesen, und doch war die Haut an der Stelle, wo Silvietta ihn geküsst hatte, so sensibel geblieben, als hätte er sich dort mit einer glühenden Gabel verbrannt.
    Monatelang musste er immer wieder an diesen Kuss denken. Wenn er nicht wie ein Idiot den Kopf

Weitere Kostenlose Bücher