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- Lasst die Toten ruhen

- Lasst die Toten ruhen

Titel: - Lasst die Toten ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kotowski
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dasitzen?
    Agaj war sehr erregt.
    Er sah sie an und lächelte seltsam.
    Sie fuhr auf.
    – Warum siehst du mich so an?
    Sie starrten sich lange an. Sie wurde rot und senkte die Augen.
    – Noch nie hast du mich so angesehen, murmelte sie leise.
    Er rückte ihr näher.
    – Ja, Agaj, ich habe dich noch nie so angesehen. Du hast recht. Aber du bist mir nicht mehr das, was du mir gestern warst. Ich bin neugierig auf dich. Ich kannte dich bis jetzt nicht.
    Sie sah ihn gespannt an.
    – Ich sehe dich anders an, als ich dich gestern angesehen habe … Er schwieg eine Weile.
    – Warum ich nicht spreche? Ich will dir nichts Furchtbares sagen.
    Sie warf den Kopf hoch und starrte ihn herausfordernd an.
    – Aber darauf wart’ ich ja die ganze Zeit – auf dies Furchtbare. Mein ganzes Leben, vierundzwanzig Jahre wart’ ich auf dies Furchtbare! Sag’ es doch endlich.
    Er wühlte in ihr mit seinem Blick. Sie sah zur Seite.
    – Es ist mein Ernst, Agaj! Ich bin heute ganz sonderbar ernst. Ich war in meinem Leben nicht so ernst.
    – So? So? Aber warum solltest du nicht ernst sein?
    Er lachte boshaft.
    – He, he, du bist neugierig, du willst mich herausfordern … Aber weißt du denn nicht, was ich dir zu sagen habe? Fühlst du es nicht?
    Sie schwieg.
    – Fühlst du es nicht? Er erbebte.
    Schweigen.
    Sie stieß das Glas an und trank es aus.
    – Trink doch, lachte sie. Du willst wohl Abstinenzler werden? He? Hast wohl wieder Fieber? Armer du!
    Er trank hastig; seine Hand zitterte.
    – So sag’ doch endlich das Furchtbare! Siehst du nicht, wie ich neugierig bin?
    – Soll ich es wirklich sagen?
    – Warum solltest du es verschweigen? Sie lachte höhnisch. Aber trink’ doch, trink’! Deine Adern klopfen, als wollten sie dir die Haut zerreißen.
    Er trank wieder.
    – Agaj, erinnerst du dich an die furchtbare Nacht – damals …
    Sie zuckte merkbar.
    – Erinnerst du dich?
    – Nein!
    – Oh, oh – du erinnerst dich sehr gut. Seit zwölf Jahren denkst du immer daran. Warum lügst du? He, he … du warst wohl zwölf Jahre damals, dreizehn – wie? Du hattest Angst vor dem Gewitter und kamst zu mir ins Bett, ich sollte dir Märchen erzählen …
    Sie lachte gezwungen auf.
    – Und ich erzählte dir die ganze Nacht hindurch. Ich habe mich gequält, etwas Neues zu erfinden. He, he … du warst so verwöhnt, du schliefst ja immer bei mir …
    Er sah sie fast gehässig an.
    Ihre Finger liefen unstet und in nervöser Aufregung auf dem Tisch herum.
    – Es regnete Blitze und Feuer vom Himmel. Und jedes Mal, wenn der Himmel barst und unser Schlafzimmer in grünem Lichte stand, bekreuzigten wir uns und beteten: Und das Wort ist Fleisch geworden … He, he, erinnerst du dich nicht? Und der Ritter ritt auf einem schwarzen Pferd, und das Pferd hatte goldene Hufe. Sie glänzten in der Sonne, dass die Menschen blind wurden … Wieder krachte der Himmel: Und das Wort ist Fleisch geworden … Und da kam der Ritter an einen Berg, der von einem Riesen bewacht war … Und das Wort … Nicht wahr? So ging es die ganze Nacht über. Und da plötzlich: dies furchtbare, minutenlange Krachen und Bersten, als der Blitz dicht neben unserem Hause in die Pappel einschlug! Da warfst du dich zitternd auf meine Brust und presstest dich so fest an mich … noch fühl’ ich deine mageren Händchen um meinen Körper geschlungen und deine zarten Beine sich mit kranker Hitze in mich hineinglühen. Damals hattest du auch Fieber. Du hattest immer Fieber. Weißt du es jetzt?
    Sie ließ den Kopf tief herabsinken. Er konnte ihr Gesicht nicht sehen. Es war verdeckt von der breiten Krampe ihres schwarzen Sommerhutes.
    – Nun trink’ doch!, sagte er mit geheimnisvollem Lächeln. Dein Wohl!
    Sie stieß schweigend mit ihrem Glase an.
    – He, he, du trinkst ganz ausgezeichnet. Das hab’ ich dir beigebracht. Du fürchtetest, ich würde dich verachten, wenn du nicht tränkest. Gott, wie du mich geliebt haben musst! Alles tatst du nur um meinetwillen. Und jetzt, jetzt? … Agaj! Jetzt?
    Er wartete gespannt auf die Antwort.
    Sie schwieg.
    – Jetzt?, fragte er heiß.
    – Bist du schon mit dem Furchtbaren zu Ende?
    Ihre Stimme klang höhnisch und wegwerfend.
    Er lachte laut auf.
    – Du scheinst dich schnell gefasst zu haben. He, he: Es kam so unerwartet. Du warst ja anfangs ganz krank vor Aufregung. Noch sehe ich deine Hände zittern und auf deinem Gesicht glühen rote Flecken.
    Sie sah ihn wütend an. Er erwiderte ihren Blick mit zynischem Lächeln.
    – Nein du! Ich

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