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- Lasst die Toten ruhen

- Lasst die Toten ruhen

Titel: - Lasst die Toten ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kotowski
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bin gar nicht zu Ende … Ja, damals … He, he: Du hörst es so gern … Ich wachte früh auf. Ich konnte nicht schlafen. Ich löste vorsichtig deine Arme von meinem Körper. Du warst auf meiner Brust eingeschlafen. Ich stand auf und fing an mich anzukleiden. Und da sah ich dich plötzlich. Ja, plötzlich: Ich habe dich nie vorher gesehen … gesehen! Verstehst du? Es war wohl heiß, denn du hattest die Decke mit den Füßen abgeworfen und lagst nun nackt.
    Er lachte heiser.
    – Dein Hemd war bis zum Halse aufgerollt, schliefst du da eigentlich? Er flüsterte ihr die Frage leise in’s Ohr.
    Sie sah ihn an. Ihr Gesicht zuckte. Ihre Augen waren übergossen von einem heißen, fiebrigen Glanz.
    Sie tauchte langsam, gierig tastend ihren Blick in seine Seele.
    Er zuckte zusammen.
    – Hörst du nicht, was ich sage? Dein Hemd war bis zum Halse aufgerollt, und du lagst ganz nackt. Und ich bin sicher, dass du nicht schliefst, ich bin sicher, dass unter den langen Wimpern dein Blick in mein Blut kroch … Sei doch ein wenig empört! Bist du es nicht?
    Sie ließ wieder den Kopf sinken.
    Er beruhigte sich plötzlich.
    – Ich starrte dich an. Ich konnte mich von deinem Körper nicht losreißen. Mein Herz klopfte, dass ich nicht stehen konnte.
    Sie sah ihn flüchtig an mit einem verzerrten fiebrigen Lachen.
    – Und dann?, fragte sie heiser.
    – Dann – dann … seine Stimme zitterte – dann sank ich an dich und küsste dich …
    – Auf den Mund? Sie konnte kaum die Worte ausstoßen.
    – Nein … Er fing wieder an zu flüstern. Du weißt es ja, du schliefst nicht – du warst wach, dein ganzer Körper zuckte heftig auf …
    Ihr Gesicht verschwand wieder.
    Als sie aufblickte, war ihr Gesicht wie verzückt von Qual und ihre Augen funkelten in einem abgründigen grausamen Schmerz.
    – Sag’ mehr! Sag’ doch mehr!, stieß sie plötzlich hervor.
    Es fing an, in ihm zu fiebern. Das Blut schoss ihm jäh in’s Gehirn.
    – Ich habe dich dann vergessen. Ich habe dich beinahe zwölf Jahre nicht gesehen. Ich habe mich verheiratet. Und da sah ich nicht mehr das Weib in dir, nur eine unendlich teure Schwester … Ja doch! Einmal im vorigen Jahre, als wir beide allein waren und so viel getrunken hatten! Da wurdest du plötzlich ganz ungewöhnlich boshaft, du höhntest mich, machtest pikante Anspielungen auf meine Heirat und plötzlich warfst du dich über mich her und bissest mich in die Lippen, dass sie bluteten … Da fing es an, mich heiß zu überlaufen.
    – Hab’ ich dich gebissen? Sie lachte hässlich auf.
    – Und dann, als du bei uns zum Besuche warst und mir einmal früh morgens Kaffee ans Bett brachtest …
    Sie fuhr wütend auf.
    – Du bist wohl verrückt geworden? Du willst dir doch nicht einbilden, dass ich dich als Weib liebe?
    Er lächelte seltsam.
    – Eben hast du dich verraten. Du hast mich nie als Schwester geliebt. Du zittertest immer nach mir, so wie ich jetzt nach dir zittre. He, he: Weißt du noch? Einmal, als du deinen Geburtstag hattest und so viele Kinder zu uns kamen? Wir spielten Versteck. Immer bist du zu mir in die dunkelsten Ecken geschlichen und drücktest dich heiß an mich. Sieh mich doch an, lass dir doch in die Augen sehen … Weißt du noch, als wir beide so heiß wurden und uns beinahe erwürgt hätten in einer Lust, die sonst Kinder nicht zu haben pflegen? He, he … Da wurd’ ich Mann …
    Er schwieg plötzlich, es kam ihm vor, als hätte er zu viel gesagt.
    Sie lachte boshaft.
    – Du willst wohl einen Roman schreiben? Irgendeine perverse Geschichte von Geschwisterliebe, wie? He, he, he … Damit düpierst du mich nicht …
    – Ich will dich ja gar nicht düpieren. Du glaubst mir also nicht? Du traust mir nicht? Hör’, Agaj, hörst du nicht in meiner Stimme diesen entsetzlichen Ernst? Warum wehrst du dich? Warum willst du nicht zugeben, dass du mich liebst? Hast du mir nicht gestern gesagt, dass du beinah’ verrückt geworden bist, als ich im vorigen Jahre nach dem Ausland zurückkehrte? Und glaubst du, ich weiß es nicht, dass du der Mutter das Geld gestohlen hast, um es mir zuzuschicken, als ich in Not war? … Tut das eine Schwester? Warum? Warum willst du es verleugnen, dass du mich liebst?
    – Ich liebe dich, wie man einen Bruder liebt, nicht mehr, sagte sie abweisend.
    – Ha, ha, ha, liebt man so einen Bruder? Das musst du einem Kriminalpsychologen erzählen … Warum wurdest du jetzt so leichenblass, warum zittern deine Hände? Und du trinkst viel, damit es dir nur nicht

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