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- Lasst die Toten ruhen

- Lasst die Toten ruhen

Titel: - Lasst die Toten ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kotowski
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hatte.
    Plötzlich wieder ein Lichtpunkt: Er begegnete Agajs Augen.
    Er las in ihrer Seele, wie ein Somnambule. Eine Sehnsucht sah er in den Augen, einen kauernden, zusammengekrampften Schmerz: Ihre ganze Seele gerann in diesem langen, gierig schmerzlichen Blick.
    Alles um ihn herum verschwamm zu einem wirren Gemenge von Messerklirren, Lachen, Sprechen, dann hörte er ein unangenehmes Geräusch wie, wenn Stühle gerückt würden. Er sah die finstre Masse von menschlichen Leibern, die vor seinen Augen flirrte, sich hochheben, mechanisch stand er auf.
    Plötzlich erlangte er das Bewusstsein.
    Er sah die Menschen in den Salon treten. Er versuchte den Andren zu folgen, aber er blieb wie angewurzelt stehen. Etwas zerrte ihn zurück. Er sah sich um. Ihm gegenüber stand ein dunkles Nebenzimmer offen. Er wurde von einer fremden Hand dahin gestoßen. Es kam ihm vor, als taumelte er hinein: Seine Beine gingen wie von selbst, er widerstrebte nicht mehr: In dem dunklen Zimmer besann er sich auf sich selbst.
    Eine unheimliche Angst krallte sich in seiner Seele fest.
    Das ist ihr Wille! Sie hat ihn mir auferlegt! Ihr fürchterlicher, körperlicher Wille. Der Gedanke, der Macht geworden ist, eine riesige Macht mit Blut gefüllt, mit langen, gespenstigen Händen …
    Er lallte es vor sich hin, um sich zu beruhigen.
    Er saß sehr lange in dumpfer, irrer Schwüle. Plötzlich schrak er auf: Sie saß bei ihm.
    – Agaj?!
    – Still!
    Sie fasste seine Hand. Es goss sich über ihn wie ein kochender Strom. Sein Körper fing an zu zucken. In seinem Gehirne klopften kurze, schmerzhafte Schläge.
    Ihre Hände verflochten sich krampfhaft. Es warf sie aufeinander.
    Sie versanken, sie vergingen in dieser stummen Brunst ihres Blutes. Kopfüber sinnlos stürzten sie sich in den grausigen Wirbel der geschlechtlichen Ekstase.
    Als sie sich loslösten, hielten sich noch ihre Hände umklammert, als wären sie selbstständige Organe geworden.
    – Ich kann dir nichts mehr geben, fühlte er sie sprechen, aber er konnte sich nicht besinnen, ob er einen Laut gehört hatte.
    – Deinen Leib! Deinen Leib!, stammelte er.
    – Du hast mich ja gehabt.
    – Wann? Wann?
    – Heute Nacht.
    Er blieb einen Augenblick bewusstlos. Sie war plötzlich verschwunden.
    Seine Seele löste sich qualvoll in wachsender Angst.
    War sie es selbst? War es nur eine Vision?
    – Sie sind wohl krank?, fragte ihn der Herr mit der samtenen Weste, als er in den Salon trat.
    Er hörte kaum hin. Seine Augen flogen suchend umher. Endlich entdeckte er sie. Sie saß da regungslos mit einem kalten Sphinxgesicht und sah ihn ruhig an.
    Er ging auf sie zu.
    – Bist du da drin bei mir gewesen?, fragte er zitternd.
    – Bist du nicht sicher?, sie lächelte seltsam.
    – Ich habe Angst vor dir, du – du Satan! Er zitterte immer heftiger.
    – Warum denn?, sie drehte sich gleichgültig um und fing an mit einem Herrn zu sprechen.
    Seine Seele kroch zusammen. War dies das Weib, das sich vor ein paar Minuten mit dieser uferlosen Leidenschaft an ihn gepresst hatte?
    – Ich fahre morgen nach Hause!, flüsterte er ihr wütend zu.
    Sie sah ihn an.
    – Ja, es ist die höchste Zeit, sagte sie kalt. Noch zwei Tage und du wirst verrückt.
    – Du bist brutal! Er schrie fast.
    Sie drehte sich wieder um und sprach weiter mit dem fremden Herrn.
    Er wurde plötzlich sehr ruhig. Als wäre alles in ihm geborsten. Er verschwand unauffällig und trat in’s Entrée.
    – Du fährst nicht! Er sah sie zittern und ihre Augen fraßen glühend an ihm. Du fährst nicht! Ich werde dir die Seele aus dem Leibe reißen, wenn du fährst.
    Er hörte ihre Zähne wie in Schüttelfrost aneinanderschlagen.
    Er sah sie verächtlich an.
    – Ich habe nichts mehr mit dir zu tun, sagte er langsam und kalt.
    – Du fährst nicht!, keuchte sie.
    – Ich fahre! Ich will nicht mehr meine Seele prostituieren. Ich muss dich in meinem Herzen vor diesem herzlosen Weibe da, – er zeigte verächtlich mit dem Finger auf sie, – retten … die Trümmer retten.
    Er lächelte wie im Traume.
    Sie klammerte sich an ihn.
    – Du bist morgen Nachmittag dort, wo du heute mit mir warst … Bist du nicht da, so, so …
    – So?
    Sie trat dicht an ihn heran. Sie sahen sich lange in die Augen.
    Ohne ein Wort gingen sie auseinander.
    * * *

    Er wartete lange vergebens.
    Er legte die Stirn in tiefe Falten und lächelte. Er lächelte immer. Ein blödes, irres Lächeln war wie versteinert um seine Lippen.
    Sein Fieber wuchs und schwoll. Lange feine

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