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- Lasst die Toten ruhen

- Lasst die Toten ruhen

Titel: - Lasst die Toten ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kotowski
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nervös.
    Er wurde noch freundlicher.
    – Wundervolle Handschuhe hast du. Das sieht sehr pervers aus. Das ist à la Rops [91] . Du hast überhaupt die Gestalt, die Rops immer zeichnet. Und auch die gierige, freche Unschuld … Ha, ha, ha … und du verstehst dich zu kleiden! Das Seidenkleid lieb’ ich sehr. Es ist ein solch wolllüstiges Gefühl in den Fingerspitzen, ja, ja – deine Seide stäubt mir Wolllust in die Adern … Nun, du scheinst gar nicht auf mich zu hören … Ich habe dir auch nichts Interessantes mehr zu erzählen. Das, was an unserem Verhältnis interessant und pikant war, was nach Satanismus und Inzest schmeckte, ist ja nun vorüber. Jetzt können wir zu den zweifelhaften Freuden des Werktags zurückkehren.
    Sie sah ihn plötzlich lange und durchdringend an. Ihre Augen funkelten in einem seltsamen Lächeln.
    – Du hast Fieber, sagte sie langsam. Jetzt erst seh’ ich, wie krank Du bist. Deine Augen sind eingefallen, deine Augen glühen wie Kohlen, dein Gehirn ist krank. Du kannst nicht mehr die Wirklichkeit von der Vision unterscheiden. Du siehst das Gras in meiner Seele wachsen. Und manchmal überhörst du ganze Sätze. Ist es nicht so?
    Er stutzte, dann lachte er boshaft auf.
    – Ja, ja, ich verstehe dich. Jetzt hab’ ich natürlich Fieber, weil ich anfange, vernünftig zu sprechen. Ich habe Fieber, weil ich deine quallüsterne Fantasie nicht erhitze. Ich verstehe dich. Du hast Sehnsucht nach den irrsinnigen Worten meiner Liebe.
    – Ja!
    Es klang wie ein langer Satz.
    – Ja? Ja? Das sagst du so frech, nachdem du meine Seele zertreten hast? Sagtest du nicht vor ein paar Minuten, dass du Ekel vor meiner Berührung hast? Nein, nein – meine Seele ist spröde, ich will mich nicht prostituieren vor dir.
    Er kam plötzlich in eine Ekstase von Raserei. Sein Gesicht fühlte er zucken und das Fieber befiel ihn von Neuem.
    Er verlangte Wein.
    – Willst du mittrinken, Agaj?
    – Ja. Viel – viel …
    Er suchte seine Ruhe zu bewahren. Sie bettelte mit den Augen.
    Er trank schnell und stützte den Kopf in die Hände. Er hatte sie plötzlich beinah’ vergessen. Sein Fieber ließ nach. Nur ein Schmerz, ein brandroter Schmerz glühte in seinem Hirn.
    Da fühlte er von Neuem ihr Locken. Er merkte, dass sie ihm langsam näher rückte – noch näher und plötzlich presste sie heftig ihr Bein an das seine.
    Wieder empfand er die kurzen, schmerzhaften Zuckungen in seinem Kopf, wie von heftigen Hammerschlägen.
    Sie saßen regungslos. Sie über den Tisch gebeugt, schwer und heiß atmend.
    – Ich habe gelogen!, flüsterte sie leise, trank das Glas leer, füllte es von Neuem, leerte es wieder.
    – Trink doch! Ihre Stimme zitterte.
    Es schwindelte ihm. Er hatte plötzlich alles vergessen. Er fühlte nur die körperliche Wärme ihrer Glieder sich um ihn legen, er fühlte sie sich an seinen Körper schmiegen, heiß, sinnlos, zuckend …
    Sein Gehirn taumelte. Er fing an zu sprechen, leise, flüsternd. Er bebte am ganzen Körper. Seine Hände irrten unstet.
    Ihre bettelnde Hand umkrallte die seine, zerwühlte fiebrig seine Finger und kratzte sie wund.
    Da weiteten sich ihre Augen und sie sah ihn an mit einem Blick: Ihre Seele verblutete in Angst und Verzweiflungsschmerz.
    Er schwieg.
    Beide kamen zum Bewusstsein.
    Das Gespräch stockte. Sie sprachen gleichgültig über gleichgültige Sachen, von Zeit zu Zeit schwiegen sie lange, und dann kam es wieder von Neuem, ohne dass sie wussten, wer zuerst angefangen hatte.
    – Und erinnerst du dich, Agaj, einmal als wir badeten? Ich habe dir beim Auskleiden geholfen. Du hast dich plötzlich gesträubt und wurdest so furchtbar rot … He, he: Wir waren eigentlich keine Kinder mehr. Und mit einem Ruck empfand ich eine so grenzenlose Liebe zu dir … erinnerst du dich? Wir warfen uns in den Sand und pressten uns so wild aneinander, dass wir beide vor Schmerz aufschrien. Dann nahm ich dich auf meine Arme und trug dich ins Wasser. Du warst so übermütig, wie es nur ein Weib sein kann, das plötzlich fühlt, dass es geliebt wird. Ich sollte dich schwimmen lehren, aber du sankst immer unter … O Gott, jetzt, jetzt seh’ ich dich wieder als die herrliche Agaj von zwölf Jahren, die mich so sinnlos geliebt hat. Jetzt siehst du mich wieder so gut, so innig an, wie du mich früher immer angesehen hast. Du höhnst nicht mehr, du bist nicht mehr boshaft, und jetzt bin ich wieder dein Hund, ich bin wieder deine Sache, du kannst mit mir machen, was du willst, du kannst mir die

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