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- Lasst die Toten ruhen

- Lasst die Toten ruhen

Titel: - Lasst die Toten ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kotowski
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Baronesse wird mit den Attributen einer Toten versehen, sie erscheint Graf Hyppolit wie eine aufgeputzte Leiche. Darüber hinaus versucht sie, ihre Tochter an einen Unhold zu verschachern, um so indirekt auf ihre Kosten zu leben. Der Zweite im Bunde, der falsche Adlige und Urian, sieht trotz seines Alters ungewöhnlich gut und jung aus. Wie die meisten früheren Vampire ist er mit dem Bruch von sexuellen Tabus verknüpft. Ihn erfüllt ein inzestuöses Verlangen nach Mutter und Tochter zugleich. Doch am wichtigsten ist der Fluch, den der böse Geist verhängt. Aurelie verfügt über eine gewisse Macht über den menschlichen Geist, wenngleich sie ihn nur einschläfern kann und dieses auch nur auf recht gewöhnliche Weise. Es zieht sie nachts auf den Friedhof. Wie viele Vampire verschmäht sie normale Nahrung – es ist ihre Nekrophagie, die sie auf unnatürliche Art am Leben und begehrenswert hält. Nichtsdestoweniger versucht die Leichenblasse, ihren Gatten in die Brust zu beißen, wie es alle frühen Vampire machen. Unter einem magischen Schutz steht sie als Lebende indes nicht – ein Sturz tötet sie.
    Noch einmal zur Nekrophagie. Das Bluttrinken ist fest mit dem Vampirmotiv verbunden. So fest, dass die Begriffe »Blutsauger« und »Vampir« synonym verwendet werden können. Doch das war nicht immer so. Peter Mario Kreuter weist in »Der Vampirglaube in Südosteuropa« darauf hin, dass der Vampir in Sagen seine Opfer zumeist drückte und würgte; wie er tatsächlich das Blut aus seinem Opfer sauge, wird dagegen nie berichtet. Märchen kennen neben dem Würgen noch eine andere Variante – nämlich die Nekrophagie. In dem bulgarischen Märchen »Das Mädchen und der Vampir« überlässt eine arme Mutter sorglos ihre Töchter eine nach der anderen einem Fremden und, wie sich bald herausstellt, Vampir zur Heirat. Die Mädchen sollen dem Vampir Menschenfleisch zubereiten und ebenfalls davon essen, um den Fluch mit dem Vampir zu teilen. Die Mädchen landen freilich mehrheitlich selbst am Fleischerhaken. Diese Nekrophagie findet sich regelmäßig wieder.
    Es tritt das partiell Leichenhafte auf, das Nachtaktive, der Bruch eines sexuellen Tabus, unnatürliche Jugend, das übernatürliche Leben auf Kosten anderer Menschen und der Biss in die Brust. Alles wichtige Details des Vampirmotivs. Verbindet man diese Aufsplittung mit der Devise Hoffmanns, das Dämonische im Menschen zu manifestieren, wird klar, dass diese Erzählung zu Recht mit »Vampirismus« berechtigt betitelt werden kann. Der Titel lässt sich auch noch anders rechtfertigen. Silke Arnold-de Simine arbeitet etwa in ihrem Artikel »Wiedergängerische Texte: Die intertextuelle Vernetzung des Vampirmotivs in E. T. A. Hoffmanns ›Vampirismus‹-Geschichte (1821)« eben jene Verzahnung heraus.

Vorbemerkung
    Ernst Benjamin Salomo Raupach wurde 1784 in Straupitz bei Liegnitz in Schlesien geboren. Zunächst trat er in seines Vaters Fußstapfen, der ein Prediger war, und studierte Theologie in Halle. Daran schlossen sich verschiedene lehrende Tätigkeiten an: Er war etwa zehn Jahre Hauslehrer, 1803 und 1804 in Wiersewitz und von 1805 bis 1814 in einem Gut bei Moskau. Von 1814 bis 1816 war er Lehrer für Sprachen und Geschichte in St. Peterburg und von 1816 bis 1822 ordentlicher Professor für allgemeine Geschichte. Nach einer Italienreise trat er 1823 auf eigenen Wunsch als Hofrat aus dem russischen Dienst aus. 1824 siedelt er nach Berlin um und widmete sich völlig der Literatur. Dennoch mischte er sich gelegentlich in die aktuelle politische Diskussion ein; so trat er während der Märztage 1848 scharf für die absolutistische Monarchie ein. 1852 starb er in Berlin.
      
    Raupachs Zeitgenossen sahen in ihm vor allem einen Dramatiker von Volks- und Lustspielen, und so ist er auch in Erinnerung geblieben. Er wurde aufgrund seiner Themenwahl als »Hohenstaufen-Dramatiker« bezeichnet – oder als Produzent von »Hohenstaufenbandwürmern« gescholten. Sein langjähriger Aufenthalt in Russland beeinflusste ebenfalls seine Werke. Er kritisierte die Zustände zurückhaltend, was ihm in neuerer Zeit das Urteil einbrachte, mit seiner Tendenz zum Realismus eine Vorahnung des gesellschaftskritischen Theaters zu geben. Dessen ungeachtet ist sein Gruselstück »Der Müller und sein Kind« sein erfolgreichstes; es wurde über siebzig Jahre bis ins 20. Jahrhundert hinein in Wien zu Allerseelen regelmäßig gespielt.
    Seine Erzähltexte sind dagegen weitgehend in Vergessenheit

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