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- Lasst die Toten ruhen

- Lasst die Toten ruhen

Titel: - Lasst die Toten ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kotowski
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geraten. Der folgende Text, »Lasst die Toten ruhen«, ist 1823 in der fünfzehnten Ausgabe der Literaturzeitschrift »Minerva« erschienen; die Erzählung wurde damals als Märchen gewertet und erhielt ein gemischtes Echo. Meines Wissens ist der Text im deutschen Sprachraum bisher nicht wieder verlegt worden. Anders im englischen Sprachraum. Unter dem Titel »Wake not the Dead« tauchte er gelegentlich in Anthologien zum Thema Vampire auf. Dort wird er üblicherweise fälschlich Johann Ludwig Tieck zugeschrieben. Neuerdings ist die Geschichte aufgrund des Hörspiels »Die Blutgräfin«, das auf Raupachs Geschichte beruht, wieder ins Blickfeld gerückt. Da die Bearbeitung von Marc Gruppe jedoch klar an moderne Hörgewohnheiten angepasst ist, weicht das Hörspiel zum Teil erheblich von der Vorlage ab.
    Noch eine kleine Bemerkung zur Form: Der Leser wird schnell bemerken, dass Raupach für die direkte Figurenrede einen eigenwilligen Modus gefunden hat. Um die Orientierung zu erleichtern, lasse ich jede Figurenrede großgeschrieben beginnen.

Lasst die Toten ruhen

— Ernst Benjamin Raupach
Weckt die Toten nicht! Die Toten bringen
Finsternis wohl in den Erdentag;
doch was einmal schon im Grabe lag,
wird kein Licht der Erde mehr durchdringen.
Lasst sie schlafen in dem engen Schrein!
Fäulnis könnt Ihr rufen aus den Grüften,
um des Lebens Blüten zu vergiften;
aber weder Tau, noch Sonnenschein,
noch der Hauch von milden Frühlingslüften,
kann das Tote je zur Blüt’ erneu’n.
Was vom Leben einmal sich geschieden,
wird des Lebens Feind, und seinem Frieden
muss entsagen, wer es töricht weckt
aus dem Schlafe, der es heilsam deckt.
      
    Willst du ewig schlafen? Nie erwachen, Geliebte? Ewig ausruh’n von deiner kurzen Wallfahrt auf Erden? O, kehre wieder! Führe zurück das Morgenrot in mein Leben, das nur kalte Dämm’rung war, seit du schiedest. Stumm? Ewig stumm? Dein Freund härmt sich; und du schweigst? Dein Freund vergießt heiße Tränen; und du ruhst? Dein Freund verzweifelt; und du öffnest deine Arme nicht? Ach! Schmückt das Leichentuch dich schöner, als der gold’ne Schleier, der dich umwallte? Ist das Grab wärmer, als das Bett unsrer Liebe? Der Tod feuriger, als dein Freund? O, kehre wieder, Geliebte! Kehre zurück an die sehnsuchtsvolle Brust! – So klagte Walter um Brunhilden, die Geliebte und Gattin seiner Jugend; so klagte er an ihrem Grab, um Mitternacht, als der Geist, der im Sturme braust, seine Herde von Ungeheuern rasch über die Flur des Himmels trieb, unter dem vollen Monde weg, dass ihre Schatten über die Erde fliegen, wie Gedanken an jenes Leben durch die Seele des Sünders; so klagte er an ihrer Gruft unter den hohen Linden, das Haupt gesenkt auf den kalten Stein, auf dem die Schatten des Laubes sich wiegten, wie ein ewig fliehendes Traumgebild.
    Walter war ein mächtiger Herr in Burgund. In den glühenden Tagen seiner Jugend liebte er die schöne Brunhilde, die all ihre Schwestern im Lande weit überglänzte, eine Schönheit, wie sie der Erde gebührt, eine Erdentochter nach dem Bilde der Mutter: Denn das blendende Licht ihres schlanken Leibes, das Abendrot ihrer Wangen umfloss ihrer Locken schwarze Pracht; ihre Augen waren nicht von den Sonnen, die am nächtlichen Himmel aus unendlicher Ferne blinken, und darum den Geist hinauslocken in die unendliche Ferne des Lebens, in die Ewigkeit; die Glut ihrer Augen war die Glut unserer irdischen Sonne, wann sie strahlt, um Liebe zu entzünden zwischen den Geschlechtern auf Erden. Brunhilde wurde Walters Gattin, und beide blühend in der Überfülle der Kraft, beide ewig durstend nach Genuss, tauchten sie unter in die Fluten der Sinnenberauschung, wo das Leben, angeschaut durch die kristall’ne Decke, zum Traume wird. Aber eben diesen Traum, und nur diesen Traum, nannten sie beide Leben; und nur der Wunsch, ihn ewig träumen zu können, mit seinem Schatten, der Furcht, dass er einst zerrinnen möchte, zog zuweilen störend durch ihren Rausch. Doch die Gestirne, bis zu denen die Wünsche, wie der Nebel der Erde, sich nicht erheben, kreisten unbekümmert in ihren Höhen und führten unaufhaltsam die zerstörerische Zeit über das irdische Leben hin. Auch Walters und Brunhildens Blüten fielen ab, mussten umso früher fallen, da Walters Liebe zwar glühend, wie die Flamme, aber auch leicht und unbeständig war, wie sie; und als der Tod Brunhilden ihm entführte, ward seine Seele wohl betrübt, aber doch so, als ahndete sie dieses

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