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- Lasst die Toten ruhen

- Lasst die Toten ruhen

Titel: - Lasst die Toten ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kotowski
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Schmerzes Vergänglichkeit. Und er verging: Bald wandelte eine andere Gattin, Swanhilde, an des Getrösteten Seite.
    Auch Swanhilde war schön; aber das Vorbild zu ihrer Schönheit hatte, schien es, die schaffende Natur aus einem anderen Kreise des Lebens genommen. Hell, wie die Strahlen des Morgens, floss ihr goldenes Haar vom Haupte; nur, wenn ein schönes Gefühl ihre Seele bewegte, mischte sich eine blasse Röte unter die Lilien ihrer Wangen; ihre Glieder waren geformt nach schönem Maße, aber nirgends die Üppigkeit überwiegenden irdischen Lebens; ihr Auge schimmerte wohl, aber es war der Sternenglanz, der uns einlädt, leise der Geliebten Hand zu drücken, sie höchstens sanft zu umschlingen, und aus ihrer Umarmung und mit ihr zum Himmel aufzuschauen. Nicht in jenem Traum konnte sie den Gatten wiegen, aber wohl jede Stunde seines Lebens beglücken. Sich immer gleich, ernst und doch freundlich, unermüdet und das Geringste veredelnd durch den Bezug auf des Gatten Glück, waltete sie vom Morgen zum Abend in seinem Hause und schuf es durch schöne Ordnung um in ein Nachbild der Natur. In den Zügen aller Genossen spiegelte sich die innere Zufriedenheit mit ihrem Lose, denn jeder wusste, was der kommende Tag von ihm fordern, was er ihm bringen würde. Ihre Milde hielt die feurige, heftige Natur des Gatten in wohltätigen Schranken, und aus den dunklen, unermesslichen Irrgängen der Wünsche, Hoffnungen und Entwürfe führte ihn ihr heller Geist in die Klarheit des Lebens zurück. Zwei Kinder gebar Swanhilde Walter, einen Sohn und eine Tochter. Still und freundlich, wie die Mutter, war das Mägdelein, geneigt zu einsamen Spielen schon den hohen Ernst und die tiefe Bedeutsamkeit ihres einstigen Tuns und Schaffens andeutend; feurig war der Knabe, rastlos nach Beschäftigung jagend, hinausstrebend in die Welt, und nur an der Klarheit seines Wollens, an der Beharrlichkeit in seinem Beginnen, war die Mutter in ihm zu erkennen; seine Jugend verkündete den künftigen Helden. Durch die Liebe zu diesen Kindern noch mehr an die Mutter gefesselt, lebte Walter einige Jahre glücklich und dachte Brunhildens zwar oft, aber ruhig, wie wir eines Jugendfreundes denken, den der Strom des Lebens weit von uns an eine fremde Küste getrieben hat, wo wir ihn nun glücklich wissen.
    Aber die Wolken zergeh’n, die Blumen verblüh’n, der Sand verrinnt, und so zergehen, verblühen, verrinnen auch die Gefühle des Menschen und mit ihnen sein Glück. Walters unbeständiges Herz fing wieder an, sich zu sehnen nach dem träumerischen Leben seiner Jugend; die glühend liebende Brunhilde trat wieder mit allen Reizen der Braut vor seinen verlangenden Sinn; er begann, zu vergleichen zwischen damals und jetzt; und wie die Fantasie allezeit die Gegenwart verlästert und nur die Vergangenheit und Zukunft heiligspricht, so fand er auch jene Zeit tausendmal reicher und die gegenwärtige tausendmal ärmer an Genuss, als sie wirklich waren. Swanhilde entging die Veränderung ihres Gatten nicht und verdoppelnd ihre Freundlichkeit gegen ihn, ihre Tätigkeit in seinem Hause, ihre Besorgnis um seine Kinder, meinte sie, das Band, das sich zu lösen begann, wieder enger zu knüpfen; aber je mehr sie ihn festzuhalten strebte, desto frostiger, unerträglicher dünkten ihm ihre Liebkosungen, desto mehr füllte sich Brunhildes Bild in seiner Fantasie wieder zum blühenden Leben aus. Nur die Kinder, die ihm unentbehrlich geworden waren, standen noch wie vermittelnde Genien [12] zwischen den immer mehr sich voneinander kehrenden Eltern und bildeten, von beiden geliebt, noch ein schwaches Band zwischen ihren Herzen. Doch wie alles Übel im Menschen nur in der Wurzel erstickt werden kann, einmal angefangen aber unvertilgbar ist; so war auch Walters törichte Sehnsucht schon zu weit gediehen, um an fernerem Wachstum verhindert zu werden; und bald war sie alleinige Herrin seiner Seele. Oft nun am Abend, statt das Lager seiner Gattin zu suchen, ging er hinaus zu Brunhildes Gruft, ließ dort seine Klage erschallen über die stummen Gräber und fragte hinab in die taube Erde: Willst du ewig schlafen?
    So lag er einst um Mitternacht an ihrem Grabe, in sehnsuchtsvolle Klage sich ergießend, als der Zauberer aus den nahen Bergen den Totenacker betrat, um zu seinen nächtlichen Werken Kräuter zu suchen, die nur aus den Gräbern sprießen, des Menschen letzte Frucht auf Erden, und darum, wie alles Letzte, gewaltig und schauervoll. Der Zauberer gewahrte den Jammernden und

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