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- Lasst die Toten ruhen

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Titel: - Lasst die Toten ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kotowski
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und sind im heiratsfähigen Alter; Manor wird dagegen als ein junger Mann von neunzehn Jahren geschildert, während beim fünfzehnjährigen Har die Unreife klar hervortritt. Ulrichs sucht hier zwar die Nähe zur klassischen Päderastie der griechischen Antike, doch an der Beurteilung durch die konservativen Zeitgenossen dürfte das wenig geändert haben.
    Die beiden Geschichten unterscheiden sich zudem eindeutig in der Wertung. Le Fanu deutet die emanzipatorischen Aspekte der lesbischen Liebe nur zaghaft an, lässt aber keinen Zweifel an den positiven Aspekten der Zerstörung der Vampirin. Ulrichs legt seine Geschichte wesentlich ambivalenter an. Zwar befreit die schwule Liebe Har aus der Bevormundung der Frauen, doch sie vernichtet ihn auch. Hinzu kommt, dass Ulrichs in der Beschreibung der sinnlichen Lust wesentlich deutlicher ist.
    Diese direktere und positivere Thematisierung von Homosexualität führte dazu, dass der Text schlicht in der einschlägigen Literatur keine Beachtung fand. So konnte die 1894 veröffentlichte Kurzgeschichte »Die wahre Geschichte eines Vampirs« von Eric Count Stenbock fälschlich als älteste Geschichte mit schwulem Vampir gewertet werden.
    Die andere erwähnenswerte Eigenheit ist die Vermengung von verschiedenen Sagenkreisen. Ulrichs war sich bewusst, dass die Pfählung in der Sage den Wiedergänger nicht zerstört, sondern nur im Grab hält. Die Pfählung von Leichen war ein typisches Vorgehen im skandinavischen Raum. So stellt die »Saga von Erich den Roten« etwa fest, dass in Grönland jeder Leichnam gepfählt wurde, bis ein Priester die Totenmesse abhalten konnte.
    Einzigartig war dieser Vorgang keineswegs – Hagen Schaub zeigt in »Blutspuren« mithilfe einer kleinen Geschichte des Glaubens an Untote bis zum Ende des 16. Jahrhunderts auf, dass die Praxis der Pfählung von Leichen in ganz Europa verbreitet war. Claude Lecouteux weist in »Die Geschichte der Vampire« auf zwei Sagen hin, in denen sich ein Wiedergänger selbst in der hier dargestellten Weise vom Pfahl befreit. Diese Geschichten gehören allerdings in den slawischen Sagenkreis.
    Auch rechnet Lecouteux die Wiedergänger der skandinavischen Sage zu den Verschlingern, Untoten, die alles Fleisch in sich hineinschlingen. Die Figur Manor steht dagegen zunächst klar in der Tradition der literarischen Vampire. Nach seiner zweiten Pfählung nimmt er allerdings die Züge eines eher deutschen Untoten an – da Manor nicht mehr zu Har kann, holt er Har zu sich, er zieht ihn mittels der magischen Verbindung zwischen Liebenden gleichsam ins eigene Grab hinab. Manor ist zum Nachzehrer geworden. Dazu passt, dass der zweite Wiegergänger, von dem Lecouteux weiß, im Leben die Hexe Bradka war, die im Tode eine Reihe von Zügen des Nachzehrers annahm. Die Vermutung, dass Ulrichs diese Sage kannte, liegt also nahe.

Vorbemerkung
    Karl Friedrich May wurde 1842 in Ernstthal im Erzgebirge geboren. Sein Vater konnte mit dem Verdienst als Weber seine große Familie kaum ernähren. Aus der Armut resultierte vermutlich eine Mangelernährung, die zu einer mehrjährigen Blindheit Karl Mays als Kind führte. Er studierte von 1856 bis 1859 in Waldenburg, musste aber nach einem Diebstahl von Kerzen ans Lehrerseminar in Plauen wechseln, wo er 1861 sein Studium beendete. Darauf war er für kurze Zeit als Hilfslehrer und Fabrikschulenlehrer tätig, doch auf eine sechswöchigen Gefängnisstrafe wegen eines weiteren Diebstahls folgte der Verlust des Lehramts. Anschließend gab er Privatunterricht, wurde aber immer wieder aufgrund von Diebstählen mit Freiheitsstrafen belegt. Man nimmt an, dass die Diebstähle bisweilen aus Geldnot, bisweilen aus einem Hang zum groben Unfug, bisweilen aufgrund einer Neurose erfolgten. Schließlich brachten ihn die fortwährenden Gesetzesbrüche von 1865 bis 1868 ins Arbeitshaus Osterstein in Zwickau und von 1870 bis 1874 ins Zuchthaus Waldheim. In dieser Zeit entwarf er die Geschichten, die später zu seinem Weltruhm führen sollten.
    Nach seiner Entlassung aus dem Zuchthaus kehrte er ins Elternhaus zurück und widmete sich der Schriftstellerei. Noch im selben Jahr wurde »Die Rose von Ernstthal«, seine erste Erzählung, veröffentlicht. Zunächst arbeitete er noch als Redakteur, seit 1877 als freier Schriftsteller. 1879 wurde er fester Mitarbeiter der katholischen Familienzeitschrift »Deutscher Hausschatz«, in der viele seiner bekannten Geschichten zuerst erschienen. In der Folgezeit gelangte er zu einigem

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