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- Lasst die Toten ruhen

- Lasst die Toten ruhen

Titel: - Lasst die Toten ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kotowski
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Reichtum und Ansehen.
    Eine ausgedehnte Orientreise in den Jahren 1899 und 1900 führte May zunächst zweimal an den Rand eines Nervenzusammenbruchs und später zu einer literarischen Neuorientierung, in der er verstärkt seiner pazifistischen Haltung Raum gewährte. 1912 starb er in seinem neuen Heimatort Radebeul.
        
    Auf dem Höhepunkt des Ruhmes stand May vermutlich in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Zwar führten ihn Kolportageromane dorthin, doch vor allem für seine Abenteuer- und Reisegeschichten ist er in Erinnerung geblieben. Die Gesamtauflage in Deutschland sollte mittlerweile mehr als hundert Millionen stark sein, dazu kommen noch die Übersetzungen in fünfundzwanzig Sprachen. Seine Romanfigur Winnetou ist durch zahlreiche Verfilmungen und Freilichtaufführungen immer noch sehr präsent.
    Über den Wert wird allerdings bis auf den heutigen Tag heftig gestritten. Viele Kritiker werfen May vor, belanglose Trivialliteratur fabriziert zu haben, von der allenfalls seine Dorfgeschichten ausgenommen werden können. Befürworter heben zumeist den pädagogischen Wert seiner Erzählungen hervor. Dem kann man jedoch skeptisch gegenüberstehen: Immerhin war Adolf Hitler von der rassistischen Grundhaltung der Geschichten so überzeugt, dass er sich mit Winnetou identifizieren konnte – in seiner Frühzeit wurde er so von seinen Gesinnungskameraden genannt. Dessen ungeachtet füllen die Beiträge zu dieser Diskussion mittlerweile einige Regalmeter – im »Deutschen Literatur-Lexikon« von 1968 nimmt die Nennung der relevanten Titel acht Spalten ein.
    Die folgende Geschichte »Ein Vampir« ist eigentlich ein Romanauszug, und zwar das sechste Kapitel des Reiseromans »In den Schluchten des Balkan« aus dem Orient-Zyklus. Der Auszug wurde zuerst 1885/86 in der Zeitschrift »Deutscher Hausschatz« veröffentlicht. Da dort die Erzählungen in periodischen Fortsetzungen abgedruckt wurden, sind sie betont episodisch verfasst. Daher lässt sich die Geschichte problemlos herausgelöst lesen.
    Die Episode beginnt damit, dass der Ich-Erzähler Kara Ben Nemsi mit seinen Gefährten Halef, Osko und Omar Ben Sadek nach einem harten Zusammenstoß mit einigen Mitgliedern der Bande des Erzschurken Schut in einem Taubenschlag aus der Stadt Menlik flüchtet. Man will erst einmal die Kräfte sammeln, bevor man wieder gegen Barud el Amasat, einem wichtigen Mitglied der Bande, vorgeht.

Ein Vampir

— Karl May
    Als wir Menlik [71] hinter uns hatten, umgab uns dunkle Nacht; dennoch gewahrten wir, dass wir uns auf einem gebahnten Wege befanden. Vor uns hatten wir den Strumafluss, den Strymon der Alten, welcher von Menlik aus südwärts der reichen Ebene von Seres zufließt. Wir ritten auf unbekanntem Boden. Ich wusste nur, dass ich nach Ostromdscha reiten musste, welcher Ort auch den Namen Strumnitza führt, von dem gleich benannten Fluss, an welchem er liegt. Da hätten wir nun eigentlich die Richtung nach Petridasch einschlagen müssen; aber ich konnte mir denken, dass man dies vermuten und uns dahin folgen werde. Darum wendete ich mich schon nach kurzer Zeit in einem rechten Winkel dem Norden zu.
    »Wohin willst du, Sihdi?«, fragte Halef. »Du weichst ja vom Wege ab!«
    »Mit gutem Grunde. Habt acht! Ich suche einen Pfad, eine Straße, welche weiter nördlich nach dem Fluss führt, in derselben Richtung, wie derjenige, dem wir bis jetzt gefolgt sind. Ich will unsere Verfolger irreleiten.«
    »So müssen wir aufpassen. Es ist sehr dunkel.«
    Wir hatten so etwas wie Brachfeld unter uns. Bald merkte ich, dass wir uns wieder auf einem Wege befanden. Links hörte ich das kreischende Räderknarren eines schweren Ochsenwagens. Diese Richtung schlugen wir nun ein. Bald hatten wir den Wagen erreicht. Zwei große Büffel schleppten ihn hinter sich her; der Fuhrmann schritt voran. Am riesigen, in der Mitte hoch geschweiften Joch hing eine Papierlaterne.
    »Wohin?«, fragte ich den Fuhrmann.
    »Nach Lebnitza«, antwortete er, mit der Hand vorwärtsdeutend.
    Infolgedessen war ich orientiert. Also dieser Weg führte nach Lebnitza, welches am gleichnamigen, sich in die Struma ergießenden Flüsschen liegt.
    »Wohin wollt ihr?«, fragte er.
    »Nach Mikrova.«
    »So nehmt euch in Acht. Der Weg ist schlecht. Bist du ein Müller?«
    »Gute Nacht!«, sagte ich, ohne seine Frage zu beantworten. Er hatte sehr wohl recht, so zu fragen. Beim Scheine seiner Laterne hatte ich bemerkt, dass wir beide, Halef und ich, grad so aussahen, als ob

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