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- Lasst die Toten ruhen

- Lasst die Toten ruhen

Titel: - Lasst die Toten ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kotowski
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können.«
    »Sie? Wen meinst du?«
    »Die, an deren Grab du warst. Meine Tochter.«
    »Willst du etwa sagen, dass sie als Gespenst umgehe?«
    »Ja.«
    »Unglücklicher! Wer ist so boshaft gewesen, einem Vater glauben zu machen, dass seine Tochter als Gespenst spuke?«
    »Ich weiß es genau!«
    »Hast du sie denn gesehen?«
    »Ich nicht, sondern andere.«
    »Glaube ihnen nicht!«
    »Aber gehört habe ich sie.«
    »Du bist toll! In welcher Gestalt erscheint sie denn?«
    »Als Fledermaus ist sie erschienen«, antwortete er ganz leise, indem er den Mund nahe an mein Ohr brachte. »Man soll nicht davon reden, wenigstens nicht laut. Ich gräme mich zu Tode. Da ich hörte, du seist ein so großer Gelehrter, dachte ich, du könntest mir ein Mittel sagen, ihr die Ruhe zu geben.«
    »Kein Gelehrter kennt ein Mittel, wie du es meinst. Aber glaube nur fest, dass es keine Gespenster gibt, so bist du auf einmal befreit von deinem Kummer!«
    »Das kann ich nicht; das kann ich nicht. Ich höre sie ja! Und stets grad um ihre Todesstunde.«
    »Wann ist das?«
    »Zwei Stunden vor Mitternacht. Dann kommt sie durch die Luft gesaust und klopft an unsern Laden.«
    »Als Fledermaus? Da klopft sie?«
    »Das weiß ich nicht. Ich habe sie nur gehört, aber nie gesehen. Doch andere haben sie als Fledermaus gesehen, und nun liegt ihr Verlobter todkrank und muss sterben.«
    Da stieg mir eine Ahnung auf. Ich fragte:
    »Meinst du etwa, dass sie ein Vampir sei?«
    »Ja, das ist sie!«
    »Mein Gott! Das ist ja noch schrecklicher, als ich dachte!«
    »Nicht wahr? Ich sterbe noch vor Kummer!«
    »Ja, stirb vor Kummer! Aber vor Kummer über deine Dummheit! Verstanden?«
    Das war hart; aber nicht jede Medizin schmeckt süß. Er saß weinend neben mir; ich hatte das herzlichste Mitleid mit ihm. Der Aberglaube ist in jenen Provinzen so tief eingedrungen, dass man starke Mittel braucht, wenn man gegen ihn kämpfen will. Übrigens wollte ich nur wenige Stunden hier bleiben und hatte also gar keine Zeit zu breiten Auseinandersetzungen.
    »Herr, ich hatte Trost von dir erwartet«, sagte er, »nicht aber solchen Spott!«
    »Ich spotte deiner nicht, sondern ich bin entrüstet über deinen schlimmen Aberglauben. Geh zu deinem Popen und frage ihn. Er wird dir sagen, welch eine Sünde es ist, zu glauben, dass deine Tochter ein Vampir sei.«
    »O, ich war ja bei ihm!«
    »Nun, was sagte er denn?«
    »Dasselbe, was er zu Wlastan gesagt hat, der auch bei ihm gewesen ist.«
    »Wer ist denn dieser Wlastan?«
    »Mein bester Freund früher, jetzt aber mein ärgster Feind. Sein Sohn war der Verlobte meiner Tochter. Jetzt steht sie aus ihrem Grabe auf und saugt ihm das Blut aus dem Leibe, sodass er langsam hinsiecht und sterben muss.«
    »Hm! Also ist er bei dem Popen gewesen! Was hat dieser zu ihm gesagt?«
    »Er hat zugegeben, dass meine Tochter ein Vampir sei.«
    »Unmöglich! Ist sie denn ohne Beichte und Absolution gestorben? Man sagt, dass dies bei einem Vampir immer der Fall sei.«
    »Leider war es so. Der Pope wohnt weit von hier und konnte nicht kommen. Und in Tekirlik durfte ich die Leiche nicht begraben – der Pocken wegen.«
    »Ist deine Tochter an dieser Krankheit gestorben?«
    »Ja. Es gab damals hier mehrere Blatternkranke. Meine Tochter war unwohl; sie hatte Kopfschmerz und konnte nicht essen. Sie ging hinauf zu Wlastan, um dessen Frau, die ihre Schwiegermutter werden sollte und die Pocken hatte, zu pflegen. Sie kam bald wieder nach Hause. Sie hatte Fieber; es musste ihr etwas geschehen sein; sie tat so entsetzt, so erschrocken; ich habe aber den Grund nicht erfahren können. Sie sagte im Fantasieren nur immer, dass der Sohn Wlastans, ihr Bräutigam, sterben müsse. Dann brachen die Pocken aus, und sie starb, aber noch vor ihrem Tode sagte sie, dass er sterben müsse. Nun ist sie ein Vampir und holt ihn zu sich, wenn man nicht das Mittel des Popen in Anwendung bringt.«
    »Welches Mittel ist es?«
    »Man muss ihr Grab öffnen und ihr einen spitzen, geweihten Pfahl, welcher mit dem Fett eines acht Tage vor Weihnacht geschlachteten Schweines bestrichen ist, in das Herz stoßen.«
    »Schrecklich, schrecklich! Auch daran glaubst du, dass das Mittel hilft?«
    »Ja. Aber ich gebe die Erlaubnis nicht dazu. Der Pope mag kommen und bei dem Kranken wachen; dann kann ihr Gespenst nicht zu ihm. Geschieht dies zwölf Nächte lang, so kommt sie nicht wieder und ist erlöst. Wird sie aber im Grabe gespießt, so fällt sie dem Teufel anheim. Es soll entsetzlich sein, wie

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