- Lasst die Toten ruhen
wurde nicht.
Ich war überzeugt, dass jener Knecht aus Rache für die Abweisung, welche er erfahren hatte, auf den Gedanken gekommen war, sich dadurch zu rächen, dass er die verstorbene Tochter des Kerpitschi für einen Vampir ausgebe. Morgen früh wollte ich den sauberen Vogel vornehmen und zum Geständnis zwingen.
Da wir alle ermüdet waren, senkte sich der Schlaf recht bald auf unsere Augenlider, doch war wenigstens mein Schlummer außerordentlich leise. Ich hatte das Gefühl, als ob uns noch irgend etwas begegnen werde.
Hatte mir es geträumt oder war es Wirklichkeit, ich hatte ein Rollen vernommen, wie wenn ein Stein aus seiner festen Lage gebracht wird und dann, von der Höhe herunterfallend, durch das Buschwerk schlägt. Ich richtete mich auf und horchte. Ja, wirklich, es nahten Schritte, nicht eines einzelnen, sondern mehrerer Menschen.
Schnell weckte ich meine drei Gefährten. Einige kurze, leise Worte genügten, sie zu verständigen, und wir huschten nach der den Schritten entgegengesetzten Richtung hinter die Büsche.
Kaum hatten wir uns dort niedergekauert, so erschienen drüben die Leute, welche uns so unliebsam um den Schlaf brachten. Es war unter der Platane natürlich dunkler als unter dem freien, sternenhellen Himmel, trotzdem aber konnte ich mit ziemlicher Deutlichkeit vier Personen erkennen. Die vordere von ihnen schien mehrere Werkzeuge zu tragen, welche sie vor dem Grab in das Gras warf; hinter ihr führten zwei eine dritte Person, welche sie dann sorgsam auf die Erde niedersitzen ließen. Eine von diesen zweien war ein Weib.
»Fangen wir gleich an, Herr?«, fragte der erste.
»Ja. Wir müssen rasch machen. Mitternacht ist schon nahe. Die Teufelshexe soll nicht wieder aus dem Grabe steigen können.«
»Wird es uns nichts schaden?«, fragte die Frau ängstlich.
»Nein. Ich habe dir schon hundertmal gesagt, dass wir ein gutes Werk tun. Nimm die Hacke, András!«
András, zu deutsch Andreas, ist ungarisch. Ich wusste sofort, wen wir vor uns hatten, nämlich den alten Wlastan mit Frau, Sohn und Knecht.
Nichts konnte mir willkommener sein. Ich beschloss, diese Leute gar nicht so weit kommen zu lassen, das Grab zu berühren, sondern ganz kurzen Prozess zu machen. Einige an die Gefährten gerichtete Worte genügten. Wir sprangen hervor – ein vierfacher Schrei, und jeder von uns hatte eine der vier Personen beim Kragen, ich den Knecht.
»Nagy Istem – großer Gott!«, brüllte er auf.
Ich riss ihn nieder und hielt ihn am Boden fest, zog das Messer und setzte ihm die Spitze desselben an die Gurgel.
»Oh én szerencsétlen, vége mindennek – o ich Unglücklicher, es ist alles verloren!«, stöhnte er.
Es ist eigentümlich, dass man, selbst wenn man vieler Sprachen mächtig ist, in einem solchen Augenblick sich unwillkürlich der Muttersprache bedient; so auch der Ungar jetzt. Ich durfte ihn gar nicht zum Nachdenken kommen lassen.
»Du warst der Vampir!«, rief ich ihn an.
»Ja«, antwortete er entsetzt.
»Aus Rache dafür, dass die Tochter des Ziegelstreichers dich nicht leiden konnte?«
»Ja.«
»Du hast allabendlich hier unten an den Laden geklopft und den Geist gespielt?«
»Ja.«
Dieses Geständnis war eigentlich hinreichend, die drei anderen zu überzeugen; aber ich dachte daran, dass der Sohn Wlastans hinsiechte. Das konnte zwar auch nur aus Angst vor dem Vampir geschehen, aber doch kam mir die Frage auf die Zunge:
»Und deinem jungen Herrn hast du heimlich etwas eingegeben?«
»Gnade!«, stöhnte er.
»Was?«
»Ratten- und Mäusegift, aber alle Tage nur wenig.«
»Er sollte also langsam zugrunde gehen?«
»Ja.«
»Warum? Sage die Wahrheit, sonst stoße ich dir das Messer in die Kehle!«
»Ich wollte Sohn werden«, stammelte er.
Jetzt war mir alles klar. Die Tochter des Ziegelmachers war so erschrocken, so entsetzt nach Hause gekommen, und sie hatte noch vor ihrem Tode gesagt, dass ihr Verlobter sterben werde; aber sie hatte verschwiegen, woher sie das wusste. Ich legte dem Kerl die Hand noch fester um den Hals und fragte:
»Die Braut deines jungen Herrn hat dich ertappt, als du ihm das Rattengift gabst, und du hast sie durch Drohung zum Schweigen gebracht?«
War es die Angst vor meinem Messer oder mochte er – hier in der Nähe des Grabes und infolge der beabsichtigten Leichenschänderei – meinen, es mit nicht menschlichen Wesen zu tun zu haben, kurz, er gestand:
»Ich drohte ihr, dass ich auch ihre Eltern töten würde, wenn sie auf den Gedanken käme,
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