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- Lasst die Toten ruhen

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Titel: - Lasst die Toten ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kotowski
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können!«
    »Ganz richtig! Eigentlich brauche ich dich gar nicht dazu. Ich bin dein Freund und Beschützer. Du könntest dich ganz ruhig schlafen legen.«
    Bei diesen Worten kroch er hinter den einen Busch. Ich legte mich nur eine kurze Strecke davon hinter den andern. Eigentlich tat ich das nur so pour passer le temps [78] . Ich war fest überzeugt, dass der Vampir nicht kommen werde. Daher dachte ich auch gar nicht an die nötige Vorsicht und fragte auf die Entfernung von mehreren Metern den Hadschi nach seinem Brustschmerz und bat ihn, sich zu schonen, falls es zum Handgemenge käme.
    »Sei still, Sihdi!«, antwortete er. »Wer einen Dschinn fangen will, der darf ihn nicht durch lautes Sprechen warnen. Das sollst du jetzt hier von mir lernen.«
    Natürlich leistete ich diesem Befehle Gehorsam. Der Kleine hatte recht. Lagen wir einmal da, so mussten wir die Sache auch ernst nehmen. Und ernst war sie ja auf alle Fälle. Ich hatte von diesem Vampir-Aberglauben viel gehört und viel gelesen. Jetzt galt es günstigenfalls eine Tat, so einem gespensterhaften Blutsauger hinter die Flughäute zu schauen und die beiden braven Wirtsleute von ihrer Angst und ihrem Kummer zu heilen. Es lag ja jedenfalls eine Täuschung vor.
    So warteten wir weit über eine halbe Stunde. Schon wollte ich fortgehen, da kam es geschlichen, schnell und völlig geräuschlos, von der Seite her, an welcher ich mich befand. Es war eine dunkle, männliche Gestalt, die mit gewandten Bewegungen hin an den Laden glitt und da einen Augenblick horchte. Dann brachte der Kerl jenes sausende Geräusch hervor, welches ich einmal im Wiener Wurstelprater gehört hatte, als im Kasperltheater der Teufel den Doktor Faust holte. Man pfeift nämlich laut, lässt den Ton schwellen und wieder sinken und summt dabei nach Kräften. Das klingt grad so, als ob ein hohler Wind um eine scharfe Felsenecke pfeife. Dann tat der Mensch zwei, drei kräftige Schläge gegen den Laden und wollte dann schleunigst fort. Da aber erklang Halefs Stimme:
    »Dur, gizli jürümdschi, schimdi seni bizim-war – halt, Schleicher, jetzt haben wir dich!«
    Er sprang auf ihn ein, um ihn festzunehmen. Der Geist war als Geist sehr geistesgegenwärtig. Er versetzte dem Kleinen einen Hieb ins Gesicht und rief:
    »Eredj a tatárba!«
    Damit sprang er davon.
    Hätte der Kleine den Mund gehalten und nicht vor der Zeit gerufen, so wäre es anders gekommen. Der Mensch floh nach der mir entgegengesetzten Seite, sodass er also mehr als die ganze Hausesbreite Vorsprung vor mir hatte. Dennoch aber rannte ich ihm nach und herrschte dem Hadschi im Vorüberspringen einen zornigen Tölpel zu. Der auf diese Weise Bestrafte kam mir eiligst nach.
    Der Fliehende war ein guter Läufer. Hier galt es, sich gleich in den ersten Augenblicken tüchtig anzustrengen. Ich hatte bei den Indianern gelernt, mich mehr fort zu schnellen, anstatt zu springen, und kam ihm rasch so nahe, dass ich schon die Hand nach ihm ausstreckte. Aber auch jetzt verließ ihn die Geistesgegenwart nicht. Er schoss mit einer raschen Bewegung vom Wege ab, und ich an ihm vorüber, da ich mich eben mit beiden Beinen in der Luft befand. Natürlich wendete ich mich augenblicklich um. Er eilte quer über den Bach hinüber; fast hatte er den Rand erreicht. Ich holte aus, um mit einem mächtigen Satz hinüberzukommen. Es gelang. Ich fasste gleich hinter ihm Fuß und griff zu gleicher Zeit nach ihm. Ich hatte ihn am Gürtel erwischt und stemmte mich mit dem einen Fuße ein, um ihn niederzureißen.
    »Az istenért!«, entfuhr es ihm.
    Hatte er den Gürtel blitzschnell gelockert oder war derselbe nicht fest gebunden, ich hielt den Fetzen in der Hand und taumelte infolge meiner eigenen Kraftanstrengung zurück; der Geist aber schoss in die Büsche hinein, wohin ich ihm nun gar nicht zu folgen brauchte.

»Hast du ihn?«, fragte hinter mir Halef, der sich eben auch zum Sprunge anschickte.
    »Nein; aber dich werde ich sogleich haben, und zwar bei den Ohren! Gestern brichst du mir durch den Taubenschlag und heute jagst du mir diesen Menschen durch dein unzeitiges Schreien fort!«
    »Sihdi, das war die reine Begeisterung! Der Kerl ist wirklich nur aus Angst davongelaufen!«
    Das war so drollig, dass ich trotz des Ärgers lachen musste.
    »Natürlich aus Angst und nicht aus Verwegenheit! Nun kannst du dir ihn suchen, wenn du ihn nach dem Passe des Großherrn fragen willst!«
    »Wir werden beim Anbruch des Tages seine Spur finden.«
    »Ja, grad dann, wenn wir von

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