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- Lasst die Toten ruhen

- Lasst die Toten ruhen

Titel: - Lasst die Toten ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kotowski
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Studienreise durch Italien trat er in die literarischen Zirkel der Berliner Salons ein. 1854 wurde er von König Maximilian II. nach München gerufen; in dieser Stadt sollte er bis zu seinem Tod auch leben, obwohl er sich oft und lange in seinem Haus in Gardone am Gardasee aufhielt. Er war viele Jahre gemeinsam mit Emanuel Geibel das Haupt des Münchnerdichterkreises. Obschon sein Stern deutlich im Sinken begriffen war, wurde ihm 1910 als erstem Deutschen der Nobelpreis für Literatur verliehen. Er starb 1914.
      
    Der Grad von Heyses Anerkennung schwankte sehr. In seinen jungen Jahren in München galt er als Dichterfürst, aber auch als Statthalter Goethes. Später nannte man ihn einen Epigonen. Er war in verschiedenen Bereichen der Literatur tätig. Er verfasste Romane, die allerdings völlig in Vergessenheit geraten sind, und deutlich mehr als hundert Novellen; seine bekannteste dürfte die 1855 veröffentlichte »L’Arrabbiata« sein. Seinen Übersetzungen von Gedichten war länger anhaltendes Glück beschieden: Die 1852 bzw. 1860 erschienen Gedichtbände »Spanisches Liederbuch« und »Italienisches Liederbuch« gelten bis heute weithin als mustergültige Übersetzungen. Die nachhaltigste Wirkung hatte jedoch seine theoretische Beschäftigung mit der Novelle. Seine 1871 ausformulierte Falkentheorie wird immer als noch grundlegend für das Verständnis der Novelle gehalten. Aufstieg und Fall sind zwei Wesensmerkmalen seiner Werke geschuldet. Zum einen komponierte er sie streng durch, um eine formale Harmonie zu erreichen. Zum anderen waren seine Texte zwar von einem gewissen Realismus geprägt, doch er durchdrang den bearbeiteten Stoff nur begrenzt. Zusammen mit der die bürgerlichen Werte unkritisch bestätigenden Grundhaltung führte dies zum Vorwurf der lebensfernen, affektierten Oberflächlichkeit. Dieser Vorwurf wurde allerdings vor allem von den literarischen Feinden der realistischen Strömung, den Naturalisten, vorgebracht.
    Die folgende Geschichte, »Die schöne Abigail«, wurde zum ersten Mal 1892 im dreiundsiebzigsten Band der Berliner Literaturzeitschrift »Deutsche Rundschau« veröffentlicht und seither gelegentlich nachgedruckt, allerdings ohne je besondere Aufmerksamkeit zu erhalten.

Die schöne Abigail

— Paul Heyse
    Wir hatten nach dem Abendessen in einem befreundeten Hause bei Bowle und Zigarette bis in die späte Nacht hinein geplaudert, zuletzt über die Entlarvung eines spiritistischen Gauklers, die gerade vor wenigen Tagen gelungen war und bei Gläubigen und Spöttern großen Lärm gemacht hatte. An den Bericht über den Vorgang – einer aus unserem Kreis war zugegen gewesen – hatte sich ein endloses Gespräch über das Für und Wider jener rätselhaften Erscheinungen geknüpft, die auf der helldunklen Grenze zwischen Seelen- und Nervenleben stehen und selbst von der hochmütigsten Wissenschaft nicht länger mit Schweigen und Achselzucken abzufertigen sind. In das lebhafte Gewirr der widerstreitenden Meinungen hinein erklang plötzlich der tiefe Ton der alten Standuhr, die Mitternachtsstunde ankündigend. Als der letzte der zwölf harten, langsamen Schläge verhallt war und eine kleine Stille entstand, hörten wir aus dem Sofawinkel heraus die helle Stimme der jungen Schwester der Hausfrau, die in ihrer drollig trockenen Tonart ausrief: »So! Die Geisterstunde wäre nun glücklich angebrochen. Ich erlaube mir, den Vorschlag zu machen, dass jetzt die Debatte über Suggestion, Telepathie, Autohypnose, und wie der konfuse Spuk sonst noch heißen mag, geschlossen wird und wir uns endlich mit etwas Soliderem beschäftigen, ich meine, mit echten und rechten Gespenstergeschichten, wie sie zur Geisterstunde passen. Ich glaube zwar an die tanzenden Nonnen in »Robert, der Teufel« so wenig wie an den Fliegenden Holländer, trotzdem aber kann ich mich eines angenehmen Gruselns nicht erwehren, wenn sie gut gespielt und gesungen werden, und nichts hab ich lieber, als wenn mir – in guter Gesellschaft – die Haut ein bisschen schaudert und das Haar zu Berge steht. Gerade dass man weiß, es ist alles Unsinn, und doch hat es diesen wunderlichen Effekt, ist das Hübsche daran, wie man es ja auch bei allem Poetischen erfährt, das uns mit fortreißt, obwohl wir wissen, es ist ein Spuk der Fantasie. Verzeihen Sie, Herr Doktor«, wandte sie sich lächelnd zu mir, »ich schwatze da sehr unbeschieden über Dinge, die Sie besser verstehen. Aber warum sind Sie alle, nachdem die Uhr zwölf geschlagen,

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