Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan
Gottesdienst sollte am Freitag um acht Uhr morgens in der kleinen Kirche an der Ecke Fullum und Larivière beginnen. Danach würde sich der Trauerzug auf der Fullum Richtung Norden zur Avenue Mont-Royal bewegen und von dort nach Westen und den Hügel hoch zum Friedhof Notre-Dame-des-Neiges.
Roy skizzierte die Positionierung von Barrikaden, Streifenwagen, Fußpatrouillen und Beobachtungspersonal und beschrieb die Prozeduren, die bei diesem Ereignis eingehalten werden mussten. Die Umgebung der Kirche würde abgeriegelt, alle Seitenstraßen an den Kreuzungen mit der Mont-Royal gesperrt werden. Der Korso würde auf die nach Osten führenden Fahrspuren der Mont-Royal beschränkt und von Polizeieinheiten eskortiert werden. Auch am Friedhof selbst würde es maximale Sicherheitsmaßnahmen geben.
Es wurde eine Urlaubssperre verhängt. Jeder musste sich am Freitag zum Dienst melden.
Als die Dia-Show anfing, wurden vereinzelte »Sacré bleus« und »Tabernacs« laut, doch der Unmut legte sich bald, als Aufnahmen von früheren Begräbnissen über die Leinwand flimmerten. Auf unzähligen Bildern sahen wir die typischen Gestalten, die auf Kirchentreppen rauchten, in Kolonnen hinter blumenbeladenen Leichenwagen herfuhren oder sich an offenen Gräbern drängten.
Die Gesichter um mich herum verfärbten sich mit dem Wechsel der Bilder von rosig zu blau zu gelb. Der Projektor summte, und Roy leierte mit eintöniger Stimme Ort und Datum jedes Begräbnisses herunter und zeigte uns die wichtigsten Teilnehmer.
Es war warm im Zimmer, und ein Großteil meines Bluts hatte mein Hirn verlassen, um Mr. Big zu bearbeiten. Nach einer Weile merkte ich, wie die Eintönigkeit mich besiegte. Die Augen fielen mir zu, und das Gewicht meines Kopfs überstieg die Tragfähigkeit meiner Halsmuskeln. Ich nickte ein.
Dann klickte der Projektor, und ich war wieder hellwach.
Die Leinwand zeigte Biker bei einer Polizeikontrolle. Einige saßen auf ihren Harleys, andere waren abgestiegen und standen herum. Obwohl sie alle den Schädel und den geflügelten Helm der Hells Angels auf ihren Westen hatten, konnte ich nur zwei untere Banner entziffern. Auf dem einen stand Durham, auf dem anderen Lexington. Auf einem gelben Transporter im Hintergrund waren die Wörter Metro Police zu erkennen, der Rest der Beschriftung wurde jedoch von einer bärtigen Gestalt verdeckt, die den Fotografen fotografierte. Neben ihm stand Cherokee Desjardins und starrte frech in die Kamera.
»Wo wurde das aufgenommen?«, fragte ich Roy.
»South Carolina.«
»Das ist Cherokee Desjardins.«
»Der war Anfang der Achtziger einige Zeit unten im Süden.«
Ich ließ den Blick über die abgebildete Gruppe wandern und blieb bei einem Motorrad und einem Fahrer am äußeren Bildrand hängen. Der Mann drehte dem Fotografen den Rücken zu, sein Gesicht war nicht zu sehen, aber seine Maschine war deutlich zu erkennen.
»Wer ist der Kerl da ganz links außen?«, fragte ich.
»Der auf dem Chopper?«
»Ja.«
»Das weiß ich nicht.«
»Ich habe den Kerl auf mehreren alten Fotos gesehen«, bemerkte Kuricek. »Aber auf keinem jüngeren Datums. Der ist schon fast Vorgeschichte.«
»Was ist mit dem Motorrad?«
»Ein Kunstwerk.«
Danke.
Auf die Dias folgte eine Diskussion des freitäglichen Einsatzes. Als die Ermittler den Raum verließen, ging ich zu Roy.
»Könnte ich mir die Aufnahme von Cherokee Desjardins ausleihen?«
»Wollen Sie lieber einen Abzug?«
»Ja.«
»Haben Sie was Interessantes entdeckt?«
»Das Motorrad kam mir irgendwie bekannt vor.«
»Ein irres Ding.«
»Ja.«
Wir gingen in sein Büro, und er zog eine Akte aus seinem Metallschrank und blätterte dann, bis er das Foto gefunden hatte.
»So sehen die heutigen Biker also wirklich nicht mehr aus«, sagte er und gab mir das Foto. »Einige von denen tragen inzwischen Versace und besitzen Fast Food-Ketten. Für uns war die Arbeit einfacher, als sie noch betrunken und dreckig waren.«
»Haben Sie mir in den letzten Tagen ein anderes Foto aus South Carolina auf den Tisch gelegt?«
»Nein. Ist das etwas, das ich sehen sollte?«
»Es ist ähnlich wie das, was Sie mir eben gegeben haben, nur dass darauf das Osprey-Mädchen zu sehen ist. Ich habe es Claudel gezeigt.«
»Das ist interessant. Bin gespannt, was er dazu zu sagen hat.«
Ich dankte ihm, versprach, das Bild zurückzugeben, und verabschiedete mich.
Im Institut angekommen, ging ich sofort zur Imagerie, scannte das Foto ein und kopierte es auf meine CD. Es war zwar
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