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Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan

Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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Leichnam wurde aufbewahrt und an Land gebracht. Da dieser Tod sich in kanadischen Gewässern ereignet hatte, war eine Autopsie nötig.
    Eine vierundvierzigjährige Frau war in ihrer Wohnung erschlagen worden. Nach dem von ihr getrennt lebenden Gatten wurde gefahndet.
    Die medizinischen Unterlagen für Donald und Ronald Vaillancourt waren eingetroffen, ebenso ein Umschlag mit Fotos.
    Als die Fotos herumgegangen waren, wussten wir, dass zumindest einer der Zwillinge in kleinen Stücken unten in der Leichenhalle lag. In einer prächtig bunten Momentaufnahme stand Ronald Vaillancourt mit nacktem Oberkörper in Muskelmann-Pose da. Die Schädel, die nichts sahen, hörten und sagten, zierten seine rechte Brust.
    LaManche wies jedem der Pathologen eine Autopsie zu und gab mir die Vaillancourt-Unterlagen.
     
    Um zehn Uhr fünfundvierzig wusste ich, welcher der Zwillinge sich die Finger gebrochen hatte. Ronald »Le Clic« Vaillancourt hatte bei einer Kneipenschlägerei 1993 Frakturen am zweiten und dritten Finger der linken Hand erlitten. Die Röntgenaufnahmen des Krankenhauses zeigten die Verletzungen an denselben Stellen wie die Unregelmäßigkeiten, die ich auf den Mittelhandknochen entdeckt hatte. Darüber hinaus zeigten sie, dass Le Clics Armknochen keine Spuren einer Wachstumsstörung zeigten.
    Ein Motorradunfall schickte Le Clic zwei Monate später erneut in die Notaufnahme, diesmal mit Verletzungen an der Hüfte und den Beinen. Die Röntgenaufnahme zeigte analoge Befunde. Ronalds Beine waren normal. Seine Krankengeschichte verzeichnete außerdem, dass er 1995 aus einem fahrenden Auto geworfen, ein Jahr später bei einem Straßenkampf mit Messern traktiert und ‘97 von einer rivalisierenden Bande verprügelt worden war. Seine Röntgenakte war fünf Zentimeter dick.
    Ich wusste nun auch, wer kein gesundes Kind gewesen war. Donald »Le Clac« Vaillancourt war während seiner Kindheit mehrfach im Krankenhaus gewesen. Als Kleinkind hatte er über längere Zeiträume hinweg an Übelkeit und Erbrechen gelitten, deren Ursachen jedoch nie festgestellt werden konnten. Mit sechs Jahren wäre er beinahe an Scharlach gestorben. Mit elf war es ein Magen-Darm-Katarrh.
    Auch Le Clac hatte seinen Teil an Gewalt abbekommen. Seine Krankengeschichte enthielt wie die seines Bruders ein dickes Paket mit Röntgenaufnahmen, Resultate häufiger Besuche in der Notaufnahme. Frakturen von Nase und Wangenknochen. Eine Stichwunde in der Brust. Ein Schlag auf den Kopf mit einer Flasche.
    Als ich die Akte schloss, musste ich über die Ironie lächeln. Das turbulente Leben der beiden Brüder lieferte mir einen Leitfaden für das Sortieren ihrer Leichen. Ihre vielen Missgeschicke hatten eine skelettale Landkarte hinterlassen.
    Bewaffnet mit den medizinischen Unterlagen, fuhr ich hinunter in den Autopsiebereich und machte mich an die Identifikation der Leichenteile. Ich fing an mit dem tätowierten Thoraxteil und den Fragmenten, die ich ihm zugeordnet hatte. Das war Ronald. Ihm gehörten auch die gebrochene Hand und alles Gewebe mit normalen langen Knochen.
    Arm- und Beinknochen mit Spuren der Wachstumsstörungen kamen auf Donalds Tisch, solche ohne diese Linien auf den seines Bruders.
    Anschließend zeigte ich Lisa, einer der Autopsie-Technikerinnen, wie sie die verbleibenden Fragmente so röntgen sollte, dass die dann enthaltenen Knochen die gleiche Position hatten wie auf den prämortalen Krankenhausbildern. Das würde mir einen Vergleich von Form und innerer Struktur erlauben.
    Da die Röntgenabteilung sehr begehrt war, arbeiteten wir die Mittagspause durch und brachen erst um halb zwei ab, als die anderen Techniker und Pathologen zurückkehrten. Lisa versprach mir, die Arbeit abzuschließen, sobald die Maschine wieder verfügbar sei, und ich eilte nach oben, um mich umzuziehen.
     
    Das Hauptquartier der Operation Carcajou befand sich in einem modernen dreistöckigen Haus am Ufer des St. Lawrence, der Altstadt von Montreal direkt gegenüber. Der Rest des Gebäudes wurde von der Hafenpolizei und der Hafenverwaltung genutzt.
    Ich parkte direkt am Fluss. Links konnte ich die Jacques-Cartier-Brücke erkennen, die am Nordende der Île-Notre-Dame den Fluss überspannte, rechts die kleinere Victoria-Brücke. Riesige Eisschollen trieben auf dem dunkelgrauen Wasser.
    Ein Stückchen weiter oben am Ufer sah ich Habitat 67, einen streng geometrischen Wohnblock, der ursprünglich für die Weltausstellung erbaut und später in Eigentumswohnungen umgewandelt

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