Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan
Hocker.
Komische Frau, dachte ich, als ich in mein Büro zurückkehrte, um weiter an den Berichten über Gately und Martineau zu arbeiten.
Binnen einer Stunde brachte Jocelyn mir die Akten, und in den folgenden drei arbeitete ich sie durch. Insgesamt hatte ich sechs kopflose Frauen untersucht. Nur bei zweien fehlten beide Oberschenkelknochen, und keine der beiden war jung genug, um das Mädchen in der Grube sein zu können.
Aus den Jahren vor meiner Ankunft in Montreal lagen mir sieben Fälle von weiblichen Skeletten vor, die unidentifiziert geblieben waren. Zwei waren jung genug, aber die Beschreibungen der Überreste waren vage, und ohne Skelettinventar konnte ich nicht feststellen, welche Knochen geborgen worden waren. Keine der beiden Akten enthielt Fotos.
Ich setzte mich wieder an den Computer und kontrollierte den Bearbeitungsstand des frühesten Falls. Die Knochen waren fünf Jahre aufbewahrt, dann neu fotografiert und zur Beerdigung oder Vernichtung freigegeben worden.
Aber die Akte enthielt keine Fotos. Das war merkwürdig.
Ich fragte nach dem Fundort. Die Knochen stammten aus Salluit, einem Dorf etwa zwölfhundert Meilen weiter nördlich an der Spitze der Ungava-Halbinsel.
Ich gab die jüngere LML-Nummer ein und fragte nach dem Fundort.
St. Julie. Mein Puls beschleunigte sich. Das war keine zwölf Meilen von St. Basile-le-Grand entfernt.
Zurück zur Akte. Doch auch hier keine Fotos.
Ich kontrollierte den Bearbeitungsstand, fand aber keinen Hinweis darauf, dass der Fall gelöst worden war.
Konnte ich so viel Glück haben?
Als ich im LML anfing, erbte ich eine Reihe von Skelett-Fällen. Einige hatte ich inzwischen gelöst, doch viel von diesem Material lag noch in meinem Lagerraum.
Ich schloss die Tür auf und schleppte einen Stuhl zum anderen Ende des kleinen Zimmers. Auf Regalen an beiden Wänden stapelten sich braune Pappkartons, chronologisch nach LML-Nummern sortiert. Ich ging zu der Abteilung mit den ältesten Codes.
Der Karton stand auf dem obersten Regal. Ich stieg auf den Stuhl, hob ihn herunter und trug ihn zu meinem Arbeitstisch. Nachdem ich den Staub abgewischt hatte, hob ich den Deckel.
Links lag ein Haufen Rippen und Wirbel, rechts ein Stapel langer Knochen. Obwohl die meisten Gelenke von Tieren angenagt waren, sah ich sofort, dass beide Oberschenkelknochen vorhanden waren.
Verdammt.
Ich nahm alles heraus und suchte nach Nichtübereinstimmungen, doch es schien alles in Ordnung zu sein. Enttäuscht legte ich die Knochen wieder in den Karton und stellte ihn zurück. Nachdem ich mir die Hände gewaschen hatte, ging ich in mein Büro, um mich mit einem Thunfischsandwich und einem Jell-O-Pudding zu stärken.
Ich drehte mich auf meinem Stuhl zum Fenster um, legte die Beine auf den Sims und zog den Deckel von meinem Puddingbecher. Ein Kollege an der UNC-Charlotte hatte einen Aufkleber auf seiner Tür mit der Aufschrift: Das Leben ist unsicher. Iss die Nachspeise zuerst. Ich hatte das schon immer für einen guten Rat gehalten.
Ich schaute auf den Fluss hinaus, löffelte Karamellpudding und ließ meinen Gedanken freien Lauf. Manchmal funktioniert mein Verstand besser, wenn ich mich ganz meinen Assoziationen überlasse und nicht versuche, sie mit dem Bewusstsein zu filtern.
Der Schädel und die Beinknochen, die wir in St. Basile gefunden hatten, waren nicht die fehlenden Teile einer früher geborgenen Leiche. Zumindest von keiner, die in Quebec geborgen worden war.
Okay.
Wenn Claudel mir keinen Namen präsentieren konnte, dann wäre der nächste Schritt das CPIC.
Ganz einfach.
Wenn das nichts brachte, würden wir es mit dem NCIC versuchen. Schließlich deutete nichts daraufhin, dass das Mädchen aus der Gegend stammte. Sie hätte auch aus den Staaten kommen können.
Ally McBeals Therapeut hatte Recht. Ich brauchte einen passenden Song für die Zeiten, in denen ich mich gestresst fühlte.
Running down the road tryin’ to loosen my load
Got a world full of trouble on my mind…
Vielleicht.
Slow down, you move too fast
Got to make the morning last…
Als ich nach dem Thunfischsandwich griff, blitzte plötzlich ein Bild des grotesken samstäglichen Geschenks vor mir auf. Wieder bekam ich eine Gänsehaut.
Vergiss es. Es könnte ein Schweinsauge sein. Dein Bild war in der Zeitung, und jeder x-beliebige Spinner hätte sich einen Spaß machen und dir das Ding unter den Wischer klemmen können. Wenn da draußen wirklich jemand ist, dann ist es irgendein perverser
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