Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan
Totenwache.
Kunstvolle Blumenarrangements reichten von einer Seite des Fotos zur anderen, ein Meer floraler Beileidsbezeugungen. Auf einem stand »Slick« in Blau auf Gelb, auf einem anderen »Leb wohl B S« in Rot- und Rosaschattierungen. Direkt hinter dem Sarg bildeten Nelken die Nummer »13«, eine Anspielung auf Slicks Beziehung zu Marihuana oder Methedrin.
Das Beste aber war ein Rechteck oben rechts, ein Blütenmosaik, das Motorrad und Fahrer samt Koteletten, Sonnenbrille und Club-Montur darstellte. Ich versuchte, die Banner über dem Helm und unter dem Vorderrad zu entziffern, konnte es aber nicht.
»Weißt du etwas über Slick?«, fragte Kit.
»Sieht nicht gerade aus wie der Schönste der Schönen.«
»Ja, nicht einmal im Vergleich zu diesen anderen Schönheiten.«
Kit drehte das Foto um. »Hey, dieser Typ hat den Löffel abgegeben, als ich drei Jahre alt war.«
Es gab noch zwei weitere Fotos von Slicks Beerdigung, beide aus der Distanz aufgenommen, das eine auf dem Friedhof, das andere vor der Kirche. Viele der Trauernden hatten sich ihre Kappen tief ins Gesicht gezogen und Tücher vor den Mund gebunden.
»Das Bild, das du hast, muss aus einer privaten Sammlung stammen.« Ich gab Kit die anderen Fotos. »Ich glaube, diese zwei sind Polizeifotos. Sieht aus, als wären die Trauernden nicht gerade scharf darauf gewesen, ihre Gesichter zu zeigen.«
»Mann, dieser Chopper ist ein Statement in Chrom und Stahl. Kein Wunder, dass der Kerl damit bis vors Grab gefahren ist.«
Ich ging um den Tisch herum und schaute ihm über die Schulter.
»Sieht für mich ziemlich nackt aus.«
»Um das geht’s ja. Rohe Kraft. Der Kerl hat wahrscheinlich mit ‘ner Müllkutsche angefangen –«
»Müllkutsche?«
»Ein altes Polizeimotorrad, vermutlich ein FLH Touring-Modell. Er hat all den unwichtigen Kram wie Windschutzscheibe, Überrollbügel und Gepäcktaschen aus Fiberglas abgebaut und alle Standardteile durch schnittige Sonderanfertigungen ersetzt.«
»Zum Beispiel?« Für mich sah es einfach nur aus wie ein Motorrad ohne alle Extras.
Kit zeigte mir die Besonderheiten des Motorrads, das neben dem Grab stand.
»Ein schmales Vorderrad, sargförmiger Tank, verkürztes hinteres Schutzblech und einen schmalen, dünnen Soda Seat. Das sind die coolsten Sitzbänke, weil’s damit so aussieht, als würde man direkt auf dem Motor sitzen.«
Er deutete auf das Vorderrad.
»Außerdem hat er eine Teleskopgabel eingebaut und Ape Hangers montiert.«
Ich vermutete, er meinte den hohen, nach hinten gebogenen Lenker.
»Und schau dir nur diese Lackierung an. Mann, das Ding möchte ich gerne aus der Nähe sehen. Diese Maschine ist ein Kunstwerk. Das Einzige, was noch fehlt, um sie wirklich perfekt zu machen, ist eine Sissy Bar.«
»Um Bier und Cocktails zu servieren?«
»Das ist eine Rückenstütze.«
Das Motorrad war wirklich bizarr, aber nicht mehr als sein Besitzer. Er trug lederne Armbänder, eine Jeansjacke mit mehreren Harley-Davidson-Ansteckern und -Aufnähern, eine lederne Überziehhose und hatte mehr Haare als ein Wookie. Er sah aus wie eine wandelnde Drohgebärde.
»Ich schau noch mal nach Mister Lachs. Wenn er immer noch steif ist, schieben wir ihn noch einmal in die Mikrowelle.«
Er war es, und wir taten es, und dann legten wir ihn auf den Grill, wo die Holzkohle den Rest besorgte. Ich schmolz grüne Bohnen in Butter auf und mischte den Salat, während Kit den Fisch zerlegte.
Wir hatten eben unsere Servietten aufgefaltet, als das Telefon klingelte. Ich hob ab, und eine heisere männliche Stimme verlangte meinen Neffen. Wortlos gab ich ihm den Hörer.
»Hey, Mann, was gibt’s?«
Kit starrte einen Fleck auf der gläsernen Tischplatte an.
»Geht nicht. Kann ich nicht machen.«
Pause.
»Unmöglich.« Er beugte sich vor und bearbeitete den Fleck mit dem Daumennagel.
»Diesmal nicht.«
Obwohl die Stimme des Mannes nur gedämpft durch das Ohr meines Neffen aus dem Hörer drang, konnte ich sie dennoch hören. Sie klang barsch, wie ein wütender Hund, der in den Keller gesperrt wurde. Mein Magen krampfte sich zusammen.
»Na ja, so ist es eben.«
Ich hörte Erregung im Tonfall der Antwort.
Ohne mich anzusehen, stand mein Neffe vom Tisch auf und ging in den Gang, um außer Hörweite zu sein.
Ich spießte eine Bohne auf die Gabel, kaute, schluckte. Mechanisch wiederholte ich die Handlung, aber mein Appetit war verschwunden. Nach der fünften Bohne war er wieder da.
Als ich den Ausdruck auf seinem Gesicht sah,
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