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Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan

Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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spürte ich einen beinahe körperlichen Schmerz in der Brust. Ich wollte ihn in die Arme nehmen, ihm die Haare aus der Stirn streichen und ihn trösten, wie ich es getan hatte, als er noch ein kleiner Junge war. Aber was auch passiert war, es war eben kein aufgeschlagenes Knie, und ich konnte das jetzt nicht tun. Auch wenn er es zulassen würde, so wusste ich doch, dass die Geste ihm nur Unbehagen bereiten würde. Ich spürte seinen Kummer, konnte aber nichts dagegen tun.
    Er grinste mich breit an, zuckte die Achseln, setzte sich dann wieder hin und machte sich über seinen Fisch her.
    Ich starrte seinen Kopf an. Schließlich hob er den Blick.
    »Das schmeckt toll.« Er schluckte und griff nach seinem Eistee. »Ja, das war einer von denen. Und nein, ich gehe nicht weg.«
    Plötzlich hatte ich wieder Heißhunger.
    Der nächste Anruf kam, als wir eben beim Aufräumen waren. Kit nahm ab, aber ich konnte wegen des Rauschens und Gurgelns der Geschirrspülmaschine nichts verstehen. Nach wenigen Minuten stand er wieder in der Küchentür.
    »Es ist Lyle. Ich glaube, ich habe ihm mal erzählt, dass ich gern zu Tauschbörsen gehe, und deshalb lädt er uns für morgen zu einem Landbasar ein.«
    »Ein Landbasar?«
    »Na ja, es ist eigentlich ein Flohmarkt in einem Kaff namens Hudson. Er meinte, wenn ich es Landbasar nenne, kommst du vielleicht eher mit.«
    Die beschönigende Wortwahl hatte wenig Einfluss auf meine Antwort. Ich wäre zwar gern nach Hudson gefahren, aber nicht um den Preis eines Nachmittags mit Crease.
    »Fahr du nur, Kit. Es ist wirklich sehr schön da draußen. Pferdeland. Ich sollte hier bleiben und ein paar Sachen erledigen, die ich schon länger aufgeschoben habe.«
    »Was zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel möchte ich mir morgen die Haare schneiden lassen.«
    »Aha.«
    Er ging ins Wohnzimmer zurück, und ich wischte die Anrichte ab. Ich konnte nicht glauben, dass ich Erleichterung verspürte, weil mein Neffe mit Lyle Crease zusammen sein würde. Der Mann war so schmierig wie ein Wundermittelvertreter.
    Und warum interessierte sich Crease für einen neunzehnjährigen Jungen? Ich zweifelte zwar nicht daran, dass Kit mit dem Blödmann fertig wurde, aber ich schwor mir trotzdem, Isabelle anzurufen und ihr ein paar Fragen zu stellen.
    Jetzt mal locker, sagte ich mir. Kämm deine Haare und geh zu den Fiedlern.
    Hurley’s ist die größte Annäherung an ein irisches Pub, die Montreal zu bieten hat. Ich trinke zwar nicht, aber meine gälischen Gene genießen die Atmosphäre trotzdem.
    Kit war von dem Pub ebenso begeistert wie seine Mutter. Aber es ist auch schwierig, mürrisch zu sein, wenn Fiedel und Mandoline einen Reel nach dem anderen spielen und die Tänzer auf und ab hüpfen wie Nijinsky mit einem Nervenleiden. Wir blieben bis weit nach Mitternacht.
     
    Als Lyle Crease am nächsten Morgen auftauchte, blätterte ich eben in den Fotos, die Kit und ich am Abend zuvor auf dem Tisch liegen gelassen hatten.
    »Wie geht’s?«, fragte Crease, als ich ihn einließ. Er trug eine Khaki-Hose, ein langärmeliges T-Shirt und eine Windjacke mit dem Aufdruck CTV News auf der linken Brust. Seine Frisur sah aus wie Spritzgussplastik.
    »Gut. Und selbst?« Wir redeten Englisch.
    »Kann nicht klagen.«
    »Kit hat gesagt, er ist gleich so weit. Er hat ein bisschen verschlafen.«
    »Kein Problem«, entgegnete er mit einem Glucksen und grinste mich dann wissend an.
    Ich erwiderte das Lächeln nicht.
    »Kann ich Ihnen Kaffee anbieten?«
    »O nein, danke. Ich hatte heute Morgen schon drei Tassen.« Er zeigte Meilen überkronter Zähne. »Es ist ein wunderbarer Tag. Wollen Sie es sich nicht doch noch anders überlegen?«
    »Nein, nein. Ich habe einiges zu erledigen. Aber vielen Dank. Wirklich.«
    »Das nächste Mal vielleicht.«
    Wenn Moses mal wieder ‘nen brennenden Dornbusch sieht, dachte ich.
    Einen Augenblick standen wir da und wussten nicht so recht, wie wir weitermachen sollten. Crease ließ den Blick durch die Diele schweifen und blieb an einem gerahmten Foto von Katy hängen.
    »Ihre Tochter?«
    »Ja.«
    Er ging zu der Kornmode und nahm das Bild zur Hand.
    »Sie ist reizend. Ist sie Studentin?«
    »Ja.«
    Er stellte das Porträt wieder hin, und sein Blick wanderte ins Esszimmer.
    »Das ist aber ein hübscher Strauß. Sie müssen einen sehr ernsthaften Verehrer haben.«
    Netter Versuch.
    »Darf ich?«
    Ich nickte, obwohl mir Crease so willkommen war wie der Dämon aus Der Exorzist. Er ging in das Zimmer und schnupperte an den

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