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Lasst uns froh und grausig sein

Lasst uns froh und grausig sein

Titel: Lasst uns froh und grausig sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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dieser dritte Typ stecken. Sie hatte ihn gesehen! Es gab keinen Zweifel. Er war der Mann, der mit der unförmigen Mappe durch den Durchgang gekommen war. Sie überquerte den Hof. Der Regen hörte schlagartig auf. Ein eisiger Wind fegte, als Katinka den Kopf hinaus auf die Laurenzistraße steckte. Sie lag gespenstisch leer da in der eisigen Finsternis. Als Katinka einen Fuß hinaussetzte und sich schwungvoll drehte, um die Straße entlangzublicken, geriet sie ins Trudeln und fiel auf den Hintern. »Verflucht, ist das glatt!« Also hatten die Wetterfrösche recht gehabt mit ihren Warnungen. Die Fahrbahn und die Gehsteige waren eine einzige Eisbahn. Nicht ein Fahrzeug wagte sich hinaus. Im Prinzip waren die Bedingungen ideal zum Eisstockschießen. Katinka rappelte sich vorsichtig auf, streckte die Arme zur Seite hin aus wie ein Seiltänzer und balancierte vorsichtig zurück in den Innenhof des Boxclubs. Der dritte Kerl hatte nicht entkommen können. Kein Mensch war imstande, sich auf einer solchen Eisbahn zu bewegen. Allein im verharschten Schnee kam man noch vorwärts.
    Als sie sämtliche Winkel im Hof ableuchtete, fiel ihr der Kaninchenstall auf. Er stand jetzt anders da als vorhin. Schräger. Sie ging darauf zu, die Waffe fest im Griff.
    »Kommen Sie hinter dem Kaninchenstall vor! Machen Sie schon!«
    Keine Antwort.
    Der traut sich was, dachte Katinka. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Der Wind heulte um die Scheune. Die Temperaturen fielen beinahe minütlich. Das würde eine ungemütliche Nacht geben.
    »Hallo?« Katinka stand nun seitlich neben dem Kaninchenstall, hinter dem sie sich selbst vorhin versteckt hatte, stieß mit dem Fuß dagegen und rief: »He!«
    Nichts.
    Sie trat fester. Der Stall wackelte, schwankte und kippte in die Richtung, wo Katinka den Typ vermutete. Die nächste Sturmbö verschluckte den Krach, als das gewagte Konstrukt umstürzte und in der Mitte auseinanderbrach.
    Frustriert stampfte Katinka mit dem Fuß auf. Der Kerl musste rechtzeitig getürmt sein. Sie fand ihn einfach nicht.
     
    18 Uhr 12
    »Lassen Sie mich endlich in Ruhe!«, fauchte Walt. »Und machen Sie mir diese Kabelbinder ab. Ich bin kein Verbrecher, ich habe nichts geklaut und keine Leiche gesehen.«
    Clemenza Conzi saß ihm gegenüber an dem Tisch, an dem Walt selbst den ganzen Abend gehockt hatte. So fand Katinka die beiden: Clemenza in der roten Skijacke, Walt im dunklen Mantel, beide umringt von Dante, Caren, Nora, dem bärtigen Nachbarn Harun, der ein Kellerbier in der Hand hielt, und dem Mann im Anzug, dessen Saxofon nun einsam auf einem Tisch lag.
    »Ich will einen Anwalt!«, kauzte Walt.
    »Geht klar«, erwiderte Clemenza, »aber der Anwalt kriegt heute abend keinen Fuß mehr hierher. Genauso wenig wie meine Kollegen, die Spurensicherung und der Rechtsmediziner. Wir kommen vor morgen auch nicht hier raus. Es sei denn, Sie legen es darauf an, sich sämtliche Knochen zu brechen. Ich hoffe, wir haben ausreichend Getränkevorräte?« Sie sah Nora an.
    »Soll das ein Witz sein? Der Abend ist ein bisschen aus dem Ruder gelaufen, aber das heißt ja nicht, dass wir hier verhungern und verdursten müssen.«
    »Wie beruhigend«, kommentierte Walt.
    Clemenza zückte ein Schweizer Messer und durchtrennte mit einem energischen Schnitt die Kabelbinder . »Frau Molitor, bevor Sie mit dem Kochen anfangen, würde ich Sie gerne mal mit rausnehmen, den Toten identifizieren.«
    Ihr Tonfall hörte sich an, als habe sie die feste Absicht, anschließend Walt auszunehmen, um aus seinen Innereien Kuddeln zu kochen.
    Nora wurde blass. »Muss das sein? Ich kann nicht mal Blut sehen!«
    »Dazu wird es nicht kommen, das garantiere ich Ihnen! Dem ist das Blut in den Adern längst gefroren.«
    »Ihr Humor ist ja finsterer als in der schweren Zeit!«, warf Dante ein.
    »Möchten Sie auch mit?«
    »Klar!« Er stülpte schon die Ohrenklappenmütze über seinen Kopf.
    Katinka verdrehte die Augen. Ihr war klar, dass das übereifrige Redaktionsmitglied keine Gelegenheit ausließ.
    Im Gänsemarsch trabten Clemenza, Nora, Dante und Katinka hinaus in den Hof. Der böige Wind trieb nun statt Regen wieder Schnee heran. Eisige Winzlinge. Immer mehr und mehr.
    »Haben Sie schon mal die These gehört, dass alles Leben aus der Kälte kam?«, rief Clemenza. Der Sturm riss ihre Stimme in Fetzen. »Schwer vorstellbar.«
    »Im Gegenteil«, setzte Dante zu einer Erklärung an. »Die kalten Meere sind viel nährstoffreicher als …«
    »Sie sind nicht gefragt!«, schnitt

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