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Lasst uns froh und grausig sein

Lasst uns froh und grausig sein

Titel: Lasst uns froh und grausig sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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würde, wenn sie nicht mehrmals am Tag mit dem Hund Gassi gehen, ihn nicht füttern, seine Fressnäpfe nicht ausspülen müsste und so weiter.
    Am Abend vor dem Abflug, dem neunundzwanzigsten, schlüpften Heidelore und Arndt zum letzten Mal in ihre Fahrradfunktionswäsche, um ihr allabendliches Training zu absolvieren, für das sie nun drei Wochen lang keine Gelegenheit finden würden. Arndt fuhr voraus. Sie hatten sich eine Strecke von vierzig Kilometern vorgenommen, und Arndt wählte den Radweg nach Baunach, bog dann vom Fluss weg einen steilen Hang hinauf. Nach exakt zwanzig Kilometern hielten sie, tranken ihr Weißbier aus, verstauten die leeren Dosen in der vorgesehenen Plastiktüte, bestiegen die Räder und rollten den Weg zurück, diesmal angenehm von der Schwerkraft geschoben. Arndt trat dennoch kräftig in die Pedale, um dem sportlichen Nutzen gerecht zu werden. Heidelore versuchte mitzuhalten. Sie fühlte sich von den 2-mal 0,25l Weißbier-Einheiten schläfrig, und wenn sie jemals in ihrem Leben betrunken gewesen wäre, hätte sie gewusst, was für ein Gefühl sie gerade beschlich. Die Weizenähren rechts und links des Weges schienen zu wachsen und zu wachsen, als wüchsen sie geradewegs in Heidelore hinein, und pfeilschnelle, aggressive Vögel umflogen sie, so dass sie eine Hand vom Lenker nehmen musste, um sie zu verjagen. Sie überlegte, ob es sich hier um Mauersegler handelte, und beschloss, gleich zu Hause in Brehms Tierleben nachzusehen. Nebel stiegen in der Abendhitze auf. Trotz der leichten, auf körperliche Anstrengungen abgestimmten Funktionsbekleidung fühlte sie sich wie in Watte gepackt. Es fiel ihr schwer, das Gleichgewicht zu halten, wie sie so mit dem linken Arm die Vögel verscheuchte und stramm in die Pedale trat. Als wolle das Fahrrad sich zur Seite neigen, so kam es ihr vor, und mit einem Mal erkannte sie die Täuschung: Sie segelte auf einem Boot, und während sie sich noch an der frischen Meeresbrise erfreute, vernahm sie ein Bellen, ein kurzes, raues Bellen. Emma hatte schon lange nicht mehr gebellt, aber dennoch schien es genau Emmas Bellen zu sein, und während Heidelore noch den flatternden Segeln auswich, sah sie weit in der Ferne Arndts breiten Rücken, aus dem sich ein Hundegesicht löste, Emmas braune Augen, ein ergrautes Kinn, Emma, die flink auf Heidelore zujagte, an ihr hochsprang, das Segelboot zum Kentern brachte, und Heidelore begann sich zu wundern, wie angenehm kühl und erfrischend das klare, grüne Wasser sie und ihre Emma umspülte, nachdem sie die Reling des Bootes endlich losgelassen hatte und sie sich – an Emmas grünes Fell geklammert – in den Ozean hinaustreiben ließ.
     
    *
     
    »Boah, das haut ja rein!« Dante war naturgemäß der Erste, der aus seiner Erstarrung aufwachte.
    »Ich hatte einen Schwächeanfall. Nur einen kleinen. Die Hitze! Unbedeutend.« Heidelore trank den dritten Schnaps und hielt sich dabei mit einer Hand am Tresen fest. »Wenigstens musste ich dann nicht nach Uruguay fliegen. Die Reiserücktrittskostenversicherung ist eingesprungen.«
    »Tröstlich«, murmelte Clemenza.
    »Schultern und Ellenbogen waren geprellt, ich hatte ein paar Schrammen und Verdacht auf Gehirnerschütterung, nichts weiter.« Heidelore Engstler machte eine Handbewegung, als spräche sie von einem schadhaften Schnäppchen zum Winterschlussverkauf.
    »Sie haben Ihren Mann gehasst«, stellte Katinka fest.
    »Gehasst? Ich habe ihn geliebt. Zu viel vielleicht. Aber umgebracht habe ich ihn nicht, falls Sie das jetzt denken.«
    »Nein, dazu fehlt den meisten Frauen der Mumm«, bestätigte Dante.
    Caren, die die ganze Zeit, während Heidelore erzählt hatte, an der Theke gelehnt hatte, kam drohend auf Dante zu. »Pass auf, Bürschchen! Noch deckt der Schnee alles zu!«
    »Wir wollen mal nicht übertreiben.« Clemenza war aufgestanden. »Hatte Ihr Mann Feinde?«
    »Er hatte jedenfalls keine Freunde.« Dante war einfach nicht zum Schweigen zu bringen.
    »Der Umgang mit jemandem wie Arndt ist nicht unbedingt erbaulich.« Heidelore schlüpfte endlich aus ihrem schweren Mantel. Dabei geriet sie auf ihrem Barhocker ins Wanken. Caren stand schon hinter ihr und hielt sie fest.
    »Kennen Sie diesen Mann?« Katinka zeigte auf Walt, der die Diskussion mit offenem Mund verfolgte.
    »Nein.«
    »Ich sage Ihnen doch, ich habe mit all dem nichts zu tun!«, blökte Walt.
    »Haben Sie Arndt Engstler im Hof herumschleichen sehen?« Clemenza ging auf Walt zu, nahm die Blätter, die er schon

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